Eine kleine Fibel „Gemeinderat“, Teil 4: Die allerletzte Sammlung

Die Beratungen über den anstehenden Haushalt einer Gemeinde und dessen Verabschiedung gelten als Königsdisziplin der Kommunalpolitik bzw. Gemeinderatsarbeit. Seltsam nur, dass 90 Prozent der Ratsmitglieder dabei nicht zuhören, manche sollen sich sogar derweil ein Nickerchen gönnen.

Nachdem ich mich in Teil 1 meiner kleinen Fibel Gemeinderat um die Typologie ehrenamtlicher Kommunalpolitiker gekümmert habe, mich in Teil 2 auf die Spur einiger Kennzeichen einer Gemeinderatssitzung machte und schließlich in Teil 3 bevorzugte Floskeln in der Politik zu übersetzen versuchte, blieb noch ein zuweilen wildes Sammelsurium an Beobachtungen, Anmerkungen und Gedanken übrig, die ich trotz besten Willens nicht unter eine Überschrift zu packen fähig war.

Den REST, ich präsentiere ihn hier in willkürlicher Reihenfolge ohne irgendeine Wertung:

In Gemeinderäten trifft meist Akademie auf Praxis. Während der Landwirt, der Handwerksmeister oder der IT-Administrator gerne die „Sprache des Volkes“ verwenden, dozieren Rechtsanwälte und Lehrer lieber über eine logische Argumentation, die vor allem: keiner versteht.

In der politischen Entscheidungsfindung fällt man sehr gerne auf den „Informations-Denkfehler“ herein. Was heißt: Man glaubt, dass immer mehr Informationen nötig sind. Stimmt aber nicht, im Gegenteil wirken sich zu viele zusätzliche Informationen nachteilig auf die Qualität der Entscheidung aus.

Je länger der Beschlussvorschlag und je ausschweifender eine Begründung, desto spärlicher die Substanz und teurer das Endergebnis.

Für ein ruhiges Erster Bürgermeister-Leben ist die Eigenschaft einer Gummiwand vorteilhaft. Sätze wie „Sind wir gerade dabei.“, „Hätten wir sowieso gemacht und ist bereits in Planung.“, „Sehr guter Einwand bzw. Anmerkung“, oder „Nehmen wir gerne zur Kenntnis.“ stellen das Volk zufrieden und lassen jegliche Kritik der Opposition in Leere laufen.

Das Tempo der Opposition in der Kommunalpolitik unterliegt der wiederkehrenden Sechs-Jahre-Dynamik: Nach der Wahl und erster Enttäuschung folgen Begründung und kurzes Aufbäumen, die in ein über vier Jahre währendes, ermattetes Dahindümpeln einmünden, kurze Scharmützel mit Bürgermeister und seiner Fraktion inbegriffen. Nach fünf Jahren beginnt wieder der Wahlkampf…

Wenn die regierende Fraktion dafür ist, stimmt die Opposition selbstverständlich dagegen. Man ist schließlich kein „Kindergarten“ bzw. kein „Kasperltheater“.

War ich wirklich dabei? Es ist manchmal erstaunlich, was man Neues in der Zeitung von der Sitzung liest…

Man sollte zutiefst misstrauisch sein, wenn man vom politischen Gegenüber zu viel gelobt wird. Heißt es doch nicht selten, dass man vielleicht in der falschen Partei ist.

Wer bekannt ist, wird leichter gewählt. Bei manchen bewirkt es allerdings genau das Gegenteil.

Eine fortwährende Beobachtung: Plötzlich taucht ein Aufsteiger und Hoffnungsträger auf, die viel Wirbel machen – und irgendwann zur Einsicht kommen, dass sie die trägen Mechanismen de Politik unterschätzt haben. Manche halten durch, die allermeisten (bevorzugt die Großmäuligen) aber verschwinden wieder schnell in der Versenkung.

Eine Besonderheit der Politik: Nach einer Wahl haben alle gewonnen. Die Argumentation hier treibt gerade bei den Verlierern zuweilen seltsame (Stil-)Blüten. Geglaubt werden sie dennoch.

Familienfreundlich, Fair Trade, Radfahrerfreundlich, Bildungs- und Gesundheitsstandort, historisch, Seniorenfreundlich, bunt und friedlich – es gibt keine Gemeinde mehr ohne mindestens zwei Prädikate. Das geht auch in Ordnung, erbärmlicher ist vielmehr, dass es auch keine mehr ohne Slogan gibt. Es wäre spannend zu ermitteln, in welchen Kombinationen und wie häufig sich in der Republik die kommunale Selbstbeschreibung „Historische Stadt mit Zukunft“ findet.

Verantwortungsbewusstsein, ehrenamtliches Engagement, Solidarität und politische Überzeugung, das Drängen der Bürger, die Beteiligung an Entscheidungen: Es gibt so viele Gründe, warum man (kommunal-)politisch ist. Ich bin es auch, weil ich mich gerne wichtig fühle 😉.

Bild von Gordon Johnson auf Pixabay

 

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