Bleiben Sie ruhig, die Künstliche Intelligenz übernimmt!

Prolog: Als ich an der Schwelle vom Kind zum Jugendlichen erstmals die Lektüre meines Vaters bewusst wahrnahm und nach „Lassiter“ und „Kommissar X“ auch zu „Perry Rhodan“ griff, öffnete sich mir ein erstaunliches Universum, das bereits in Band 1 „Die dritte Macht“ heute erstaunlich aktuell erscheint. Dort entdeckt nämlich der Titelheld auf der Rückseite des Mondes ein Raumschiff der weit überlegenen Arkoniden, die bis auf ganz wenige Ausnahmen zu richtigen Sesselpupsern degeneriert waren und ihr Leben vor riesigen Bildschirmen damit verbrachten, sich berieseln zu lassen. Sie wurden rundumversorgt, alles andere erledigten intelligente Systeme.

Ich habe mich informiert. Man nennt es „Internet der Dinge“, wenn durch Software gesteuerte Systeme miteinander reden. In einem idealen „Smart Home“ würde also mein Auto rund fünf Kilometer vor meinem Haus der dort installierten Heizung mitteilen, dass sie die Raumtemperatur auf kuschelige 24 Grad Celsius steigern soll – außerdem steht bei Ankunft der Kühlschrank mit einem frischen Bier bereit. Schöne neue Welt!

Die Kommunikation der Systeme. Dass sich Siri mit Alexa unterhält und umgekehrt, ist mittlerweile zum Running Gag in der Werbung und in den Sozialen Medien geworden. Der sich überlegen glaubende Homo Sapiens lacht über kindische Streitereien der Roboter und erkennt nicht den Spiegel, in den er blickt. Lieber taucht er mittels des neuesten Modells einer VR-Brille in blaue Ozeane mit einer schillernden Tierwelt, die ein paar tausend Kilometer weiter gerade an Plastik verreckt.

Exkurs zu VR-Brillen: Der jüngste Hype in Freizeitparks lässt die Gäste mit VR-Brillen über Achterbahnen rasen, weil der normale Kick im Looping nicht mehr reicht. Die Hatz nach immer neuen Reizen findet in der virtuellen Welt statt. Das wirkliche Leben ist langweilig geworden.

Während Siri, Alexa und Co. uns Arbeit abnehmen, ist die neueste Generation der Künstlichen Intelligenz bereits eine Evolutionsstufe weiter. Jetzt übernimmt sie für uns sogar das Reden, sprich Schreiben – und zwar besser, als man es selbst könnte: ChatGPT ist der moderne Heilsbringer, der in die Agonie genudelte Schlagwörter wie „Digitalisierung 4.0“ neues Leben einhaucht.

Zum Beispiel Hotelbewertungen auf booking, Google und Konsorten, wo nach gewöhnlich bestens informierter Kreise eine neue Software mit dem hübschen Namen MARA für wenig Geld den Hoteldirektor*innen aller Länder das lästige Beantworten von Gäste-Kommentaren abnimmt. Und zwar, ich wiederhole mich, besser, als es zumindest der wortfaule Hoteldirektor könnte. Ein Chatbot als Ghostwriter, eine ganze Berufs-Spezies nähert sich dank Künstlicher Intelligenz (KI) gerade rasend schnell dem Hungertuch.

Exkurs zum eigenen Schicksal: Nach seriösem Journalismus und kundiger PR-Beratung kommt mir das nächste Geschäftsfeld abhanden. Zum Glück gibt es für mich persönlich immer noch die Alternative Trauerredner, aber was machen die Kolleg*innen? Nun, die Hotellerie ist auch offen für Quereinsteiger.

Ein Schritt weitergedacht: Nicht nur allerlei Bewertungen auf den vielen Portalen werden von der KI beantwortet, die Kommentare selbst werden von ihr geschrieben. Im Auftrag des Kunden schreibt System 1 dem Anbieter, für den System 2 antwortet, dem wiederum bei Bedarf … klingt irgendwie nach einer nie enden wollenden, sehr drögen, digitalen Selbstbefriedigung DES Systems.

Aber: Es greift das Versprechen der Moderne: Der Mensch hat mehr Zeit für die wichtigen Dinge im Leben. Was er darunter versteht, darüber wiederum gibt Auskunft … genau: eine Social Media App, die gerade Platz 1 der Download Charts erobert hat: BeReal, hier müssen die Nutzer zu einer täglich wechselnden Uhrzeit ein Foto von sich online stellen, was sie gerade machen. Anders als bei den sonstigen Fake-Filter-Geschichten, bei denen jede und jeder gerade auf der tollsten Party mit den schönsten Freunden an den herrlichsten Orten feiert, sieht man hier über 90 Prozent junge Menschen, die Netflix-Serien schauen ….

… kommt Ihnen da nicht auch was bekannt vor? Genau: Wir sind die Arkoniden hinter dem Mond.

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

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