Eine Frage der Perspektive: faul oder nicht.

Ein Eingeständnis, das die meisten Menschen, die mich kennen, nicht überraschen wird: Ich bin eine lebendig gewordene Provokation. Einer, der von Natur aus widerborstig und gerne unabhängig ist, und der sein renitentes Wesen pflegt, wenn ihn der Erziehungsauftrag anderer einholt. Ich will gar nicht abstreiten, dass mich hin und wieder die Bosheit dazu treibt, meist aber ist meine Ignoranz nicht gegen einen anderen gerichtet, sondern einfach nur mit mir selbst beschäftigt.

Das macht ein Leben mit mir nicht einfach, wovon meine geliebte Gattin ein traurig Lied singen kann. Ähnlich ergeht es meinem besten Freund Markus. Beide wollen sie stets nur „mein Bestes“ und wenn schon nicht das, dann zumindest eine gute Lösung in der jeweiligen Situation. Dumm nur, dass ich „mein Bestes“ und eine „gute Lösung“ sehr individuell definiere – und meine Interpretation meist auf wenig Gegenliebe und immer auf Unverständnis stößt.

Dabei rede ich (noch) nicht von langen Unterhosen, die ich (zum Zorn meiner Gattin) auch bei minus 20 Grad Celsius verweigere, oder den guten, persönlichkeitsbildenden Büchern, die ich (zum Leidwesen von Markus) nicht lese – ich rede von den immensen Zeitersparnissen, die ich tagtäglich auf dem Parkplatz des Lebens ungenutzt liegen lasse.

Apropos Parkplatz: Als Autofahrer parke ich immer viel zu weit vom Ziel weg. Ich nehme nämlich die allererste Gelegenheit, um zu parken und störe mich fröhlich lächelnd und träumend nicht an den langen Märschen hin und zurück. Meine Mitfahrer tun das allerdings.

Woran es liegt? Ich treffe einerseits sehr schnell Entscheidungen UND ich mag es ungern umständlich. Was heißt: Wenn eine spätere, bessere Alternative

  1. unsicher ist (es gibt keinen Parkplatz, der näher am Ziel liegt) oder
  2. sehr viel Aufwand bedeuten könnte (Runden drehend eine Parklücke suchend),

nehme ich den erstbesten Parkplatz. Das mag zwar ebenfalls irgendwie umständlich sein, aber eben früher. Und hinsichtlich besserer Alternativen, die ich versäumt habe, lehrt mich die Erfahrung, dass es sich irgendwann wieder ausgleicht. Dieses Vorgehen wende ich übrigens auch bei der Wahl des Christbaums, dem Kauf einer Hose und vielem anderen an. Mich entspannt es, meine Begleitung leider nicht.

Andererseits trödle ich gerne. Ich kann fernab aller technischer Errungenschaften sehr träge Gießkannen (volle und leere) durch den Garten tragen, stundenlang Sand schaufeln und dabei träumen, bei klassischer Musik Hemden bügeln, fühlend und riechend Gemüse schneiden und in alle Richtungen schauend ein altes Rad fahren. Das kostet jede Menge Zeit, die ich aber selten als verschwendet betrachte.

Im Gegenteil betrachte ich staunend meine Mitmenschen mit Mähroboter und häuslicher Wassersprenganlage sich Freiräume für Freizeitstress verschaffen, mit dem Auto ins Fitness-Studio fahren oder hektisch Dinge verrichten, um ausführlich allen von ihrer gewonnen „Ich-Zeit“ berichten.

Nun, ich habe keine ICH-ZEIT, dafür aber zwei grüne Gießkannen.

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