Beobachtungen auf dem Campingplatz

Wenn es sich ergibt, habe ich – egal wo – einen kleinen Notizblock und einen Zettel dabei. Ich bin nämlich von Natur aus neugierig und interessiert an fast allem, verfüge allerdings über ein denkbar schlechtes Gedächtnis. Folglich schreibe ich mir alles auf, wovon ich denke, dass ich mich daran erinnern sollte – aus den unterschiedlichsten Gründen. Die Beobachtungen werden, wenn es passt, mit dem einen oder anderen Gedanken zu einer Geschichte geschnürt, manchmal aber lasse ich sie einfach so nacheinander stehen, wie zum Beispiel jetzt.

Man bringt sehr viel Zeit vor dem Campingwagen, Wohnmobil oder Zelt. Idealerweise hat man es sich in einem bequemen Campingstuhl je nach Tageszeit mit einem Latte Macchiato oder Bier gemütlich gemacht, fühlt sich herrlich „entschleunigt“ und schaut, was um sich herum vor sich geht. Und das ist, über den Tag verteilt, durchaus eine Menge:

Erfahrene Camper bräunen sich nicht, sie haben zu tun, sitzen vor dem Zelt, sind unterwegs, halten im Schatten ein Mittagsschläfchen oder nutzen die Gelegenheit für Gespräche.

Die Typologie der Camper ist so bunt wie die Menschheit selbst. Da gibt es

  • den leidenschaftlichen Camping-Samariter, der sich an strategisch günstigen Knotenpunkten positioniert, um überall dort sofort zur Stelle sein zu können, wo fachliche Unterstützung und kundige Information zwar nicht immer gewollt, aber bitter vonnöten ist.
  • die Griesgrame, die nicht grüßen und grimmig dreinblicken.
  • das dicke Familienoberhaupt, der mit nackten Oberkörper auf einer Decke am Boden liegt und die Zehennägel der drallen Ehefrau schneidet, wahlweise ihre runden Unterschenkel massiert (der Urlaub gibt manch Manne die Zeit, etwas davon zurückzugeben, was er das Jahr über von seiner besseren Hälfte kommentarlos entgegengenommen hat).
  • den tätowierten Spießer, der vor dem picobello gepflegten Wohnwagen den Wäscheständer mit Motörhead-T-Shirts für jeden sichtbar platziert hat.
  • die „Cocooner“, die das Prinzip „My home is my castle“ von der Steinmauer zur Zeltplane transformiert haben.
  • den Permanent-Optimierer, der nach dem täglichen Erkundungsgang über den Zeltplatz und genauer Begutachtung der Neuerungen von anderen Campern nun über Katalogen oder vor Tablets brütet. Zwei Namen, die jeder Camper kennt: Berger und Burger.
  • die heimlichen Müllentsorger und die stoischen Putzkräfte, die Lehrer und die Polizisten, die Einzelgänger und die allseits Beliebten, die Jogger in neonfarbener Funktionskleidung und die frühmorgendlichen Meer-Schwimmer, die Liegeplatz-Reservierer und viele, viele mehr, die jeden Campingurlaub zum stets neuen Überraschungspaket werden lassen.

Ob Strand, Pool oder Restaurant. Ich habe Mitleid mit den verliebten Pärchen, die sich im Urlaub plötzlich inmitten lärmender Familien mit plärrenden Kindern wiederfinden. Manchmal erfreue ich mich als Vater aber auch auf eine hämische und sehr unsympathische Weise daran.

Camper nehmen sich gerne Zeit für einen Plausch. Und Dauercamper rotten sich gerne zusammen. Man kennst sich, nicht selten sogar von zuhause in Deutschland.

Nach Stürmen und Unwettern ist es auf Campingplätzen schmutzig. Und es tritt ein besonderes Phänomen zutage: Wie nach schweren Katastrophen sind die Menschen seltsam beseelt von einem innigen Gefühl der Zusammengehörigkeit. Plötzlich lächeln sich Leute zu, die tags zuvor noch grußlos aneinander vorbei gegangen sind.

Ich mag Camping und ich mag Campingplätze – wenn es eben nicht eine Sache gebe, die ich gar nicht mag: Da ich mit dem Zelt unterwegs bin, aber auch aufgrund meiner Erfahrungen im Mobile-Homes und Campern, für deren WC und Duschen ich einfach zu überdimensioniert bin, komme ich nicht umhin, die öffentliche Sanitäranlagen zu nutzen.

Keine Frage, sie sind viel sauberer als noch vor 40 Jahren. Dennoch wird hier die Intimität von zutiefst Menschlichem öffentlich- und ich kann sehr gut auf die laute Vielfalt der Geräusche verzichten.

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