Männerfreundschaften: (nur) der Versuch einer Erklärung

Ein Thema mit großem, sich herzhaft auf die Schulter klopfenden, Klischeepotential.

„Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt“, das flöteten nicht nur die Comedian Harmonists & gaben zeitgleich Heinz Rühmann, Willy Fritsch und Oskar Karlweis bereits 1930 in dem Film „Die Drei von der Tankstelle“ euphorisch zum Besten, das Lied manifestierte auch den Anspruch, dem sich seitdem alle Männer stellen müssen und das in der Konsequenz bei vielen Frauen für große Missverständnisse sorgt.

Zuallererst: Die meisten Hetero-Männer sind, wenn es um andere Männer (also nicht um sich selbst oder um Frauen) geht, sehr, sehr einfach gestrickt. Ergo, Männerfreundschaften mögen vieles sein, sie sind aber sicher eines nicht: Sie sind vielleicht manchmal heroisch (zumindest meinen die Protagonisten das), aber sie sind niemals romantisch.

Persönlicher Einwurf: Gell, Markus, wir wollten zwar die Welt erst erobern und dann retten, wir ritten auf unseren Mopeds durch den kalten Dauerregen der Vogesen, aber den Sonnenuntergang haben wir uns nie gemeinsam angeschaut. Also nüchtern…

Zugegeben, kleine Jungs in Räuberbanden und Piratencrews definieren Freundschaft unter dem Eindruck nahender Gefahren noch als unzerstörbare Band. Da im Laufe der Jahre aber nur die wenigsten Räuber oder Piraten bleiben, zerreiben die meisten Freundschaften in beruflichen Anforderungen und den Bedürfnissen von Frau und Familie.

Es ist eine Erkenntnis des Alters, dass wir gerne Piraten und Räuber geblieben wären. Frauen sollten sich daran erinnern, wenn ihre Männer mal wieder Blödsinn anstellen.

Männerfreundschaften sind zuallererst einfach. Sicher, der eine oder andere stellt höhere Ansprüche an den Freund. Wenn er allerdings möchte, dass diese Beziehung dauerhaft bleibt, dann sollte er darauf hoffen, dass sein Gegenüber der stoisch-simple Typ ist. Zwei Männer mit dem Bedürfnis, ihre Freundschaft immer wieder zu hinterfragen, zu beleuchten und sich ihrer Loyalität zu versichern, das kann nicht gut gehen. Das zeigt die Erfahrung, das ist den Frauen vorbehalten.

Schau Markus, auch wenn es dich immer aufregt, ist es doch gut für uns beide, dass ich so ignorant und wenig empathisch bin.

Männer reden nicht über ihre Freundschaft. Sie ist halt einfach da. Sie sitzen zusammen auf einem Bankerl, schauen, schweigen und trinken ein Bier miteinander. Wenn einer redet, muss der andere nicht zuhören, was die ganze Sache sehr entspannt. Und mir zugutekommt, denn mein schlechtes Gedächtnis ist selten persönlich gemeint.

Sei doch froh, Markus, dass ich das meiste vergesse, was du mir erzählt hast. So bin ich jedes Mal aufs Neue ein neugieriger und begeisterter Zuhörer. Das hat doch was für sich.

Im Gegensatz zu Freundschaften unter Frauen, die in den unterschiedlichsten Modellen gelebt und gepflegt werden (so wurde mir zumindest berichtet), geben sich Männer meist schnell zufrieden. Man hält es miteinander aus – je länger, desto stabiler ist eine Freundschaft, die sich vor allem an der Zeit festmachen lässt. Irgendwann gleicht man einem alten Ehepaar: Man würde sich vielleicht nicht noch einmal heiraten, will sich aber auch nicht beschweren. Es hätte schließlich schlimmer kommen können, zumal das gemeinsame Schweigen mit anderen meist sehr unangenehm ist.

Wir beide können wunderbar schweigen, Markus. Und wir können leidenschaftlich diskutieren. Was immer wichtig war: Die verrückten Ideen – erinnerst du dich an unsere nackten Gartenzwerge, Stacheldraht-Klobrillen und Voodoo-To-Go-Puppen, allesamt Jahre vor ihrem Marktdurchbruch in deinem Keller entwickelt? Wir sollten mal wieder was spinnen 😉.

Neben den ein bis vier Freunden, die von der Jugend bis ins Alter bleiben, gibt es die Bekannten. Mit ihnen steht man auf der Tribüne des Fußballplatzes zusammen oder trifft sich als Rentner auf dem Marktplatz. Hier wird nicht geschwiegen, im Gegenteil: Es wird eifrig diskutiert und gefachsimpelt. Über Sport, Politik, Autos, Altersteilzeit und natürlich über alles, was in der Tageszeitung stand.

Wobei letzteres eher für die Generation meines Vaters galt, in meinem Alter und jünger geht es schon mal über die richtige Anlagestrategie, die Altersvorsorge, den Job, aktuelle Börsenkurse, neue Restaurants, den geplante Motorradkauf, barrierefreies Wohnen, sogar über Mode-Tipps und die richtige Work-Life-Balance. Was tabu war, ist und bleibt, sind: Frauen.

Diese Gespräche und Männerbande leben von den gleichen Themen. Dass Neues fehlt, stört keinen, vielmehr ist es die Voraussetzung für das, was man heute gerne „nachhaltig“ nennt. Eine Gruppe von Männern, die sich regelmäßig trifft, hält durchaus gegenteilige Meinungen aus – sofern sie nur oft genug wiederholt worden sind und keine tieferen Zerwürfnisse nach sich ziehen. Ein neues Thema dagegen könnte nur unvereinbare Gegensätze aufzeigen, was keiner will.

Der Kit von Männerbekanntschaften ist zutiefst pragmatisch. Erst wenn einer gestorben ist, steht er nicht mehr auf seinem angestammten Platz auf der Fußballtribüne oder auf dem Marktplatz – begleitet von nüchternen Kommentaren und der Erkenntnis der Übriggebliebenen, dass man ja selbst irgendwann mal dran ist.

Zurück zum besten Freund. Jenseits der 50 haben nicht mehr viele Männer einen solchen, weil das Leben einen potenziellen Kandidaten nach dem anderen hinfort spülte. Manche verlor man und weiß heute noch nicht, warum. Andere entwickelten sich und landeten plötzlich in der Schublade, auf der „Depp“ steht. Gilt in solchen Fällen andersherum genauso.

Zum Schluss: Ich verweigere mich zwei modernen Trends, die psychologisch gereifte Männer für sich beanspruchen dürfen. Die eigene Frau als Freundin, der eigene Sohn als Freund. Ich für meinen Teil liebe meine Frau als Frau und bin der Vater meiner Söhne. Freunde sollen sie sich selbst suchen.

Ich habe nämlich Markus. Seit 40 Jahren. Der bleibt mir, den gebe ich nicht mehr her.

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