Weihnachtsbrief 2024

Es war ein Foto auf irgendeinem Online-Kanal (wer behält hier in diesen Zeiten noch den Überblick?), das mich in diesem Advent plötzlich Weihnachten spüren ließ. Auf diesem Bild waren zwei Kinder zu sehen, bestenfalls im Vorschulalter, die mit kleinen Förmchen aus einem Teig Plätzchen ausstachen. Sie lächelten nicht gekünstelt in die Kamera des stolzen Vaters, es interessierte sie weder die bemüht lustige Bildunterschrift noch, dass sie überhaupt fotografiert wurden.

Sie waren völlig versunken in ihrem Tun. Hochkonzentriert, alles Drumherum ausblendend.

Dieses Foto katapultierte mich in die vielen vergangenen Weihnachten, die ich selbst als Kind und Jahrzehnte später als Vater von zwei kleinen Kindern erleben durfte. Und ich habe dieses Gefühl „angehaltener Zeit“ sehr gemocht, mag es immer noch. Wenn Kinder die Zeit anhalten, weil sie regungslos vor der Kerze des Adventskranzes sitzen, wenn sie gebannt Geschichten lauschen, experimentierfreudig Lego-Häuser bauen oder im Garten einfach nur den Ameisen zuschauen.

Versunken in das, was man gerade sieht, hört, spürt oder tut – wenn ich in Zukunft Kindern in solchen Situationen begegne, werde ich mir die Zeit nehmen ihnen dabei zuzuschauen. Alles Drumherum ausblendend. Etwas, was mir als Erwachsenen sehr schwer fällt …

… und es dennoch so wichtig ist. Genau so, wie das Spielen.

Wir spielen viel zu wenig, wenn keine kleinen Kinder mehr im Haus sind. Wir haben an Weihnachten immer besonders viel gespielt. Weil wir Zeit hatten und sie uns nahmen. Und weil unsere Jungs stets das „Spiel des Jahres“ unter den Geschenken fanden. Lachend, aber rigoros den eigenen Vorteil suchen, ohne schlechtes Gewissen gemein, aber nie unfair zu sein, Strategien zu entwickeln, ohne den Begriff zu kennen, Bündnisse schmieden und etwas auszuprobieren, einfach mal etwas wagen – und im Idealfall grinsend gewinnen oder fröhlich verlieren: nein, unsere Jungs (und damit auch wir) wollten hier nie fürs Leben lernen, sondern einfach nur Spaß haben.

Das hat viel mit Unschuld zu tun. Und damit für mich auch mit Weihnachten.

Herbert Grönemeyer sang 1986 „Kinder an die Macht“ und musste sich wenig später gegenüber Psychologen und Politikwissenschaftlern rechtfertigen, die reflexartig ein differenzierteres Bild und mehr Verantwortung gegenüber Kindern, Erziehungsberechtigten und Gesellschaft einforderten. Das ist vielleicht richtig, sicher nicht unschuldig, und auf keinen Fall macht es Spaß. Schade.

Glücklich sind diejenigen, die kleine Kinder um sich haben.

Mal eine Auszeit nehmen, mal nicht werten und eine Meinung haben, das Urteilen vergessen und das Drumherum ignorieren. Mal nachsichtig bei Fehlern sein, den von anderen und den eigenen. Sich einfach freuen, ganz unschuldig, auch das ist für mich Weihnachten.

Und genau ein solches wünsche ich euch und ein Neues Jahr, das euch guttut. Darauf trinke ich … natürlich einen Becherovka!

Bernhard

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