Ich ging auch 2019 wieder in die Schule. Im Advent zum Elternsprechtag. Es ist meine alte Schule, an der ich neun Jahre meines Lebens verbracht habe; ich kann mich aber nicht daran erinnern, mich damals jemals so schnell bewegt zu haben wie beim jüngsten Parforceritt von Lehrer zu Lehrer – nach einem ausgeklügelten System meiner Frau, das mich im 10 Minuten-Takt von der einen Ecke der Schule in die andere jagte. Die Mütter und Väter, denen ich dabei begegne, staunten.
Was das mit Weihnachten zu tun hat? Eigentlich ist die Erklärung ganz einfach: Ich hatte an der Schule nicht nur die schönsten Weihnachts-Schulstunden, sondern mit Physik, Mathematik und Religion die drei Fächer, die auf unterschiedlichste Weise meine Fähigkeit zum Staunen befeuerten – und meinen Glauben, an dem ich oft zweifelnd litt, erträglich machten. Und immer freute ich mich sakrisch auf die Weihnachtsferien.
Weniger gestaunt als viel mehr gelitten hatte ich beim Geräteturnen im Sportunterricht. Ich sage nur: Mit Übergewicht am Felgaufschwung. Ich vermute, meine damaligen Sportlehrer mochten kein Weihnachten.
Am meisten staune ich nach wie vor über meine Jungs, mittlerweile 15 und zwölf Jahre alt. Ich mag es und es bringt mich zeitgleich an den Rand des Wahnsinns, wenn sie väterliche Ratschläge ignorieren, selbstbewusst (oder ignorant, je nach Betrachtungsweise) „ihr Ding“ durchziehen und aufgebehren gegen Autoritäten, insbesondere wenn diese elterlich sind. Ich schwanke dann hin und her zwischen „Schimpfen“ und „Klatschen“ – der Erziehungsauftrag will es, dass ich mich viel zu oft für Erstes entscheide.
Und ich verstehe sie so häufig nicht, staune über ihre Art zu denken und zu handeln. Die mir nicht deshalb so fremd ist, weil ich sie verurteile, sondern weil ich sie schlichtweg nicht kapiere. Wie schaffen sie es bloß zum Beispiel, mich beim Mario Kart-Rennen mehrmals zu überrunden, während ich auf den Strecken ohne Leitplanken die meiste Zeit in komischen Blasen verbringe, die mich nach dem schnellen Sturz in den Abgrund wieder auf die Strecke hieven? Ich habe mich übrigens dagegen ausgesprochen, dass den Jungs auch dieses Jahr zu Weihnachten Video-Spiele geschenkt werden – ich fürchte aber, in dem Päckchen mit dem Zettel „Von Mama und Papa“ sind genau solche drin.
Tatsächlich, in vielen Bereichen lebe ich von der Gnade der nächsten Generation. Ganz aktuell spielt unsere Familie die Einweg-Spiele aus der Reihe „Exit“, in der man sehr, sehr knifflige Rätsel lösen muss (und es bis auf mich auch alle tun), um aus einem fiktiven, geschlossenen Raum zu entfliehen. Das gibt es auch real, in einem sogenannten Escape-Room in München verbrachten wir zwei Stunden unseres Lebens – von Rätsel zu Rätsel hangelnd. Und was soll ich sagen: Ohne die Jungs säße ich wohl noch immer in einem halbdunklen Kellerabteil in Haidhausen, verzweifelt, hungrig und ganz allein.
Auf die nötigen Lösungen wäre ich in hundert Wiedergeburten nicht gekommen. Ebenso wenig auf die Geschichten, die unsere Jungs meiner Frau und mir seit Jahren als Weihnachtsgeschenk präsentieren. Da sie kein Geld hatten und auf keinen Fall basteln wollten (sie sind manchmal doch ganz der Vater), setzten sie sich vor etlichen Jahren hin und verfassten die erste gemeinsame Geschichte, wie sie verrückter, überraschender und lustiger nicht sein konnte. Wir warten bereits gespannt auf die Fortsetzung des Mondschafs – und natürlich werde ich darauf und auf EUCH ALLE auch an diesem Weihnachten einen Becherovka trinken.
Darüber wiederum staunen meine Jungs, meine Frau und die meisten meiner Freunde.
Fröhliche und gesegnete Weihnachten!