Tod und Trauer. Fragen und Antworten.

Trauertexte schreiben, fürwahr eine seltsame Passion. Und in meinem Fall auch ein überraschendes Talent, denn es ist nicht so, dass ich das Thema gesucht habe. Das Gegenteil ist der Fall.

Vielleicht, weil man den Tod so gerne aus dem Leben verdrängt und so tut, als gebe es ihn nicht. Dem Tod von Angesicht zu Angesicht zu begegnen, ich habe es lange Zeit einfach nicht ausgehalten, ebenso wenig wie ich die Trauer tief in mein Herz ließ. Nach vielen Trauertexten suche ich jetzt Antworten auf viele Jahre nicht gestellte Fragen:

Angst vor dem eigenen Tod?

Manchmal ja, weil man so gerne noch so viel erleben und tun würde. Weil man geliebte Menschen nicht allein lassen will. Und weil der Sonnenaufgang heute so schön war. An anderen Tagen akzeptiere ich stoisch die Unvermeidbarkeit des Todes und schrecken mich selbst Schmerzen und Qualen nicht, denn irgendwann sind die auch vorbei. Wie überhaupt dieses „irgendwann ist alles vorbei“ den Blick auf die Gegenwart lenkt. Lenken sollte.

Was tröstet dich und was gibt dir Hoffnung?

Tröstlich finde ich die Physik und die Tatsache, dass wir aus Atomen bestehen. Und die gehen auch nach dem Tod nicht verloren, sondern verbinden sich neu. Eine schöne Vorstellung, einmal Teil des Ozeans gewesen zu sein und in ferner Zukunft vielleicht Teil von so vielem zu sein: Von weißen Kumuluswolken, riesigen Bäumen, lustigen Tieren und fröhlichen Menschen.

Und ich habe das Glück, gläubig zu sein. Das gibt Trost und Hoffnung zugleich.

Hast du dich von deinen verstorbenen Verwandten verabschiedet?

Als vor dreißig Jahren meine Mutter im Krankenhaus starb, fürchtete ich mich vor ihrem Leichnam und ging nicht zu ihr. Als meine Oma und meine Großtante auf der Intensivstation im Sterben lagen, besuchte ich sie – und hoffte inständig, dass sie nicht gerade jetzt sterben würden.

Sie taten mir den Gefallen, ebenso wie mein Vater, der sich im Pflegebett im Wohnzimmer seiner Lebensgefährtin vom Leben verabschiedete, als ich mal kurz nach Hause gefahren war. Allerdings war ich jetzt alt genug, um mir Zeit zu nehmen, um wenig später seine kälter werdende Hand zu streicheln und in seinen gebrochenen Augen die Erinnerung an den starken Mann zu suchen, der er immer für mich war.

Ich habe mich von ihm verabschiedet – und mit ihm endlich auch von meiner Mutter, von meinen Großeltern und von all jenen, die gegangen sind.

Schon mal an Selbstmord gedacht?

Einmal. Als meine erste Freundin mit mir Schluss gemacht hat, saß ich beim Ferienjob im örtlichen Zementwerk während der Spätschicht stundenlang auf dem Dach des hohen Wärmetauschers und überlegte mir hinunterzuspringen. Ich denke aber, dass diese Überlegungen bei mir vor allem dem Pathos der Jugend geschuldet und wenig ernst gemeint waren. Heute erzähle ich gerne, dass ich nicht sprang, weil der Fall doch ziemlich lang gewesen wäre – und wenn ich mich zwei Meter vor dem Fall umentschieden hätte, mein letzter Gedanke „Mist!“ … mit dieser Anekdote, von der ich nicht weiß, ob sie wahr ist, erziele ich zumindest meist ein paar bemühte Lacher.

Dein Körper nach dem Tod?

Ich habe einen Organspendeausweis. Den Rest gerne verbrennen und verstreuen. Und zwar dort, wo es am einfachsten ist.

Glaubst du an Wiedergeburt?

Die meisten esoterischen Lehren dazu sind mir suspekt – einerseits, andererseits habe ich manchmal das Gefühl, schon mal an einem Ort gewesen zu sein oder einen Menschen zu kennen. Aus einem früheren Leben? Es ist ein tröstlicher Gedanke, noch ein paar Chancen zu bekommen.

Gehst du gerne auf Beerdigungen?

Wenn Verwandte oder Freunde betrauert werden müssen, ein ganz klares: Nein. Ich weiß, das ist egoistisch und wenig empathisch, weil ich ansonsten die ruhige Stimmung auf Beerdigungen mag. Am liebsten sind mir Beerdigungen an einem sonnigen Herbsttag, wenn die melancholische Wehmut der Natur die Vergänglichkeit sicht- und spürbar macht.

Euer Familiengrab …

… haben wir gerade nochmals um fünf Jahre verlängert. Wir haben länger darüber diskutiert, ob wir es wegen Kosten und Bequemlichkeit und Sinnhaftigkeit nicht auflösen sollte – und uns (noch einmal) dagegen entschieden. Auch wenn es nicht so oft ist, dass ich das Grab besuche, es ist gut einen Ort zu haben, um dort an die Toten zu denken und in meinem Fall auch für sie zu beten.

Denkst du öfters an den Tod?

Ich glaube, man tut dies automatisch, wenn man älter wird und die Einschläge näherkommen. Wenn es immer häufiger passiert, dass die Todesanzeigen in der Zeitung Bilder von Bekannten zeigen. Aber ich werde auch dankbarer, einen Satz meiner Frau am Silvesterabend finde ich besonders treffend: „Wieder ein Jahr, in dem wir nicht gestorben sind.“

Ist es dir wichtig, dass etwas von dir „bleibt“?

In rund fünf Milliarden Jahren wird unsere Sonne explodieren. Bis dahin ist Zeit genug, dass das Leben auf unserer Erde einige Male nahezu völlig ausgelöscht wird und in einer neuen Evolution neue Spezies erschafft. Und trotzdem gilt: „Irgendwann ist auch das vorbei.“ Zurück zur Frage: Es ist völlig egal, was mir wichtig ist, es wird nichts bleiben.

Welche Musik soll auf deiner Beerdigung gespielt werden?

Die Musik, die den Hinterbliebenen wohl tut und ihnen ein warmes Gefühl gibt. Ich hoffe, dass ich zu dieser Zeit auf einer Wolke sitze und einer wirklich geilen Band beim Konzert zuhöre. Wäre klasse, wenn Lemmy Kilmister mit „Heros“ dabei wäre, außerdem Lou Reed mit „Walk on the Wild Side“, Franz Zappa mit „Bobby Brown“ und die Knef mit „Für mich soll´s rote Rosen regnen“. Aber es gibt so viele Songs und Künstler – ich gehe davon aus, dass ich, dass wir dann alle Zeit haben.

Trauertexte und Trauergedichte zu schreiben, fürwahr eine seltsame Passion, aus der „Das kleine Trauerbüchlein“ entstand. Mehr Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie auf der Seite des Kleinen Krebs Verlags.

Für Einzelbestellungen: In der Version „Ein kleines Trauer-Brevier“ ist mein Büchlein gedruckt erhältlich und als Kindle-Version. Das Büchlein bestellen als

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2 Comments

  1. Simone Neuman

    Schön zu lesen, einfach nur schön. Ich befürchte, das Feld ist nicht groß genug für meinen Text…
    Meiner Erfahrung nach, verliert der Tod den Schrecken und die Angst, je öfter man ihm begegnet. Wenn man das erst Mal die sterbliche Hülle eines geliebten Menschen sieht, ist man erschrocken, aber auch beruhigt. Denn das, ist nicht mehr meine Oma, mein Opa oder mein Papa der da liegt nein, das ist nur noch das, was von uns auf Erden übrig bleibt. Auf Beerdigungen bin ich nicht gerne, aber ich tue es für die Hinterbliebenen die mir wichtig sind, um Ihnen zu zeigen, ich bin bei dir im Gedanken. Manchmal denke ich auch an Wiedergeburt, alles andere scheint mehr unfair, wenn das „Leben“ in Zeiten von Kriegen und Hunger statt fand. Bei meinem ersten Kind hatte ich einen Notkaiserschnitt, wahrscheinlich waren es die Opiate – vielleicht auch nicht – aber es war dieser Augenblick, wo alles schwarz wurde, ich aber irgendwie bei Bewusstsein war und mit mir selber redete „bin ich jetzt tot? War’s das? was wird dann aus meinem Kind? bin ich jetzt tot? und wenn? dann ist es halt so!“ Seltsam, seit dem hab ich keine Angst mehr vor dem Tod…. Ändern kann man es dann eh nicht mehr….und doch bleiben unsere Kinder…und die Knef wäre auch mein Wunsch, bei Lou Red würde ich allerdings eher zu „Perfect Day“ tendieren 🙂

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