In meiner Garage stand noch niemals ein Auto. Das liegt auch daran, dass hier zu viele andere Dinge den vorhandenen Platz einnehmen, der eigentliche Grund ist aber: Sie ist zu klein. Es ist nämlich nur eine Ein-Auto-Garage neben unserem Haus. In herkömmlicher Modulbauweise nach DIN-Maßen her- und hingestellt, soll sie nach ihrer ursprünglichen Bestimmung einem Mittelklassewagen und an der Stirnseite einem Regal mit 30 Zentimeter Tiefe Platz bieten.
Ich lebe mit meiner Familie in einem Einfamilienhaus mit Garten auf dem Lande. Die geografische Verortung ist eine entscheidende Information, denn sie bedeutet: Niemand außer mir hat eine so kleine Garage. Vielmehr gehören hier mächtige Doppelgaragen zum Standard, in denen neben SUV und VAN bzw. alternativ Jeep und VW-Bus auch ein stattlicher Hänger (für Grüngut zum Beispiel), eine funktionale Werkbank, mehrere Fahrräder, E-Bike, Vespa-Roller und allerlei Werkzeug & Gerätschaft ihr Zuhause haben.
Selbstverständlich werden die stylischen Garagentore solcher Doppelgaragen per Knopfdruck (vom Auto oder vom Flur aus) elektronisch nach oben und unten gefahren. Das dabei entstehende Geräusch verrät: Der Nachbar kommt … oder fährt wieder weg. Nicht selten mehrmals am Tag, denn auf dem Lande ist man nur beim sonntäglichen Spaziergang zu Fuß unterwegs. Aber das ist ein anderes Thema.
Jedenfalls sind diese Garagen häufig gefliest und sehr ordentlich aufgeräumt, dafür sorgt der Hausherr mit Leidenschaft an den freien Samstagen, an denen er auch sein Auto saugt (vor der Garage – zur Bundesliga im Radio – gewaschen wird heutzutage nicht mehr, denn das ist auf dem Lande wegen der Wasserschutzgebiete mittlerweile verboten).
Meine Garage ist dagegen vermüllt. Hier stapeln sich im Winter Gartenmöbel neben ausgedientem Bollerwagen, Plastikwertstoffsäcke neben Naabecker Bier- und Paulaner Spezi-Kiste, vier Fahrräder und Tretroller neben Rasenmäher und Kugelgrill, zusammengeklappte Tischtennisplatte und eine stetig wachsende Anzahl von rostenden Gartengerätschaften. Und ja, wir haben auch einen Laubsauger, gegen den sich der Mann heftig wehrte, den die geliebte Gattin dennoch kaufte.
Im Sommer zieht vieles von dem gerade Aufgezählten ins Freie um. Angesichts der nach wir vor vollgestopften Garage fragt man sich jedes Jahr aufs Neue: Wie hatte man nur den Krempel untergebracht? Jedenfalls stinkt jetzt, wenn der Rasenmäher endlich wieder genutzt wird, die Garage nach Gras und Benzin.
Auf dem Lande haben die meisten Häusle-Besitzer neben der Garage früher oder später auch ein Carport gebaut. Es darf näher an der Grundstückgrenze stehen, hier wird gerne das Holz gelagert, das man alljährlich für den stylischen Kaminofen im Wohnzimmer „macht“. Zudem wird hier das Auto des Nachwuchses geparkt – nicht selten schon lange vor seiner Fahrerlaubnis.
Unabhängig von den Stellplatzen auf dem eigenen Grunde nutzt man gerne die Straße zum Parken der Fahrzeuge. Nicht nur, weil es bequemer ist, sondern weil man damit zur Verkehrsberuhigung beiträgt. Letzteres ist eine nicht bestätigte Theorie von mir, die noch einer verifizierenden Umfrage bedarf.
Ich liebe und hege meine Garage, also bin ich. Auf dem Lande zeigen sich mit diesem Bekenntnis das selbstbewusste Selbstverständnis und die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft. Hier feiert man gerne Partys mit der Nachbarschaft (selbstverständlich hat jeder außer mir eine komplette Biertisch-Garnitur zuhause, die man für solche Anlässe zur Verfügung stellt), hier baut man schon mal auf dem Dach eine Einliegerwohnung, wenn nicht bereits eine Streuobstwiese oder die PV-Anlage zur Versorgung des neuen E-Autos darauf ist.
Epilog: Meine Garage ist klein, es wurde noch nie eine Party darin gefeiert, und wir haben trotz volljährigem Nachwuchs nur zwei Autos. Ich „mache“ außerdem kein Holz, habe keinen Kaminofen und keinen Hänger. „Und dann wunderst du dich, dass man dich hier so komisch anschaut?“, fragte mich neulich ein wohlmeinender Nachbar – ebenso wie ich die Antwort kennend.