Über das Scheitern im Kleinen

Die meisten Menschen, die ich kenne, besitzen die Fähigkeit, sich Dinge schönzureden. Ihr Blick auf sich und das Erlebte, auf ihre Leistung und ihre Erfolge ist unterm Strich immer positiv, Niederlagen werden gerne mal dem anderen untergeschoben. Ich besitze diese Fähigkeit leider nicht, weshalb mir die Ironie zum liebgewonnenen Überlebensprinzip geworden ist – und ist es natürlich der Hauptgrund, warum ich schreibe.

Keine Angst, ich werde hier nicht vom großen Lebensscheitern erzählen, weil es Sie zum einen nicht interessiert und nichts angeht & ich mich zum anderen mit diesem Thema aus guten Gründen selbst gar nicht beschäftige. Um was es mir in den folgenden Zeilen geht, ist dieses permanente Scheitern im Kleinen, das

  • von beträchtlichem Gewicht sein kann, wenn ich meine Jahrzehnte dauernden Abnehm-Versuche ansehe. Ich kenne nicht nur den Jo-Jo-Effekt, ich bin der lebendig gewordene Jo-Jo-Effekt. Und wenn mich jemand fragt, wann ich zu rauchen aufgehört habe, dann antworte ich: „Vor 25 Kilogramm.“
  • pünktliche Zuverlässigkeit zwar begehrt und verspricht, aber dann doch ignoriert.
  • den Vegetarier neidvoll betrachtet und die meisten seiner Argumente sofort unterschreibt – und doch beim Anblick und Geruch eines saftig-krossen Schweinebratens der Versuchung jämmerlich erliegt.
  • sein Scheitern so gerne im Alkohol ertränkt und dabei vom „Geist des Weines“ fabuliert … und sich freilich einen Whiskey-Experten wähnt.
  • dem verzweifelten Versuch, trotz beträchtlichen Übergewichts zu joggen, wenig später Schmerzen im Knie oder einen Muskelfaserriss in der Wade (klitzeklein, aber sehr schmerzhaft) hinzufügt.
  • die Faulheit und Trägheit jeden Tag feiert und dabei den Fleiß vergisst.
  • immer wieder aufs Neue den Umweltschutz hintenanstellt und dabei hinausposaunt, dass organisierte Mülltrennung sein unrühmliches Ende im gemeinsamen Gang in den Brennofen findet.
  • dem begrenzten Stilempfinden immer wieder die Trainingshose als bequeme Alternative zum schicken Anzug empfiehlt.
  • den Versuch, nett und freundlich zu sein, so selten erfolgreich sein lässt.

Ich wäre so gerne gelassen, souverän, viel schlanker und rundum nachhaltig. Ich wäre gerne kreativ, innovativ, pünktlich und fleißig. Aber ich scheitere täglich – und verkünde dies gerne lauthals und jedem, der es hören will oder auch nicht.

Dabei neigt die Stimme des Gerissenen gerne zum Übertreiben. Stets mit der Absicht, beim Gegenüber ein „So schlimm ist es doch gar nicht!“ oder noch besser, ein „Das ist doch überhaupt nicht wahr!“ zu ernten. Dumm nur, dass dies selten gelingt.

P.S.: Die Kommentarfunktion unter diesem Blog-Artikel führt ins Leere 😉.

Bild von anncapictures auf Pixabay

 

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