Eine gute Freundin von mir trinkt morgens zwei Tassen starken Kaffee, gönnt sich mittags mindestens drei Portionen Grünen Tee und schließt den Tag abends gerne mit einem Kräutertee ab. Sie ist dabei flexibel, wechselt die Tee- und Kaffeesorten nach Gusto, ebenso wie die Tageszeiten des Genusses. Meine gute Freundin ist eine Ausnahme, denn die meisten Menschen sind entweder Tee- oder Kaffeetrinker und das nicht selten ein Leben lang.
Schwarzer Kaffee, ich mag ihn nicht. Er ist mir zu bitter, ohne Milch und Zucker für mich kaum genießbar. Dennoch rieche ich gerne seinen Duft, denn er erinnert mich an die junge Dame, die mir meinen ersten Kuss schenkte. Sie trank den Kaffee bereits mit 17 Jahren „schwarz“ und sah dabei so ungeheuer erwachsen und verführerisch aus.
Die eigenarten des journalisten
Als Redakteur einer Tageszeitung, der zur pathetischen Stilisierung seines Jobs neigte, rauchte ich Kette und trank literweise Kaffee an einem Tag. Ersteres habe ich mittlerweile aufgehört, die Kaffeemengen etwas reduziert. Geblieben ist, dass mir die Qualität des Kaffees herzlich egal ist. Ob er geröstet, gemahlen, heiß, fachgerecht in der Maschine gesiebt usw. ist – alles kein Thema für mich. Denn: Der Kaffee eines Journalisten darf auch mal eiskalt und in der Farbe grünlich sein.
Vor wenigen Jahren saß ich in einem Münchner Café am Odeonsplatz. Ich erfreute mich an einem älteren Pärchen, das offensichtlich einen Ausflug „in die Stadt“ machte. Der Opa bestellte für die Oma und sich eine „Portion Kaffee“ (alternativ wäre noch „ein Kännchen“ möglich gewesen), weil er aus der Erfahrung von über 50 Jahren dachte, dass es „auf der Terrasse nur Portionen“ gibt.
Der verständnislose Blick des Herrn Ober sprach nicht nur Bände, sondern kennzeichnete auch einen koffeinhaltigen Evolutionssprung, der unser aller Leben elementar beeinträchtigte, aber kaum als solcher wahrgenommen wird. Abgesehen davon, dass der Herr Ober, der diese Berufsbezeichnung nicht verdiente, noch Glück hatte, weil der Opa keinen „Kaffee Haag“ bestellte…
Wann wurde aus der Tasse und dem Kännchen Kaffee eigentlich ein Becher?
Es ging jedenfalls einher mit dem Siegeszug von zuerst Cappuccino und Latte Macchiato und schließlich Nespresso, Der Kaffee entstieg der Gosse, in der sich notwendiges Frühstücksgetränk und sonntägliche Familientafel-Plörre tummelten, und wurde Life-Style. Parallel dazu verdrängten Chai Tee und Grüner Matcha Tee den schwarzen Verwandten fast gänzlich aus der Gastronomie.
Ich persönlich bin ja der Meinung, dass Tee im Vergleich zu Kaffee sein Aroma entspannter, internationaler und weniger aggressiv entfaltet. Und er kommt ohne Sahnehäubchen bzw. geschäumter Milch aus.
Die letzte Frage, die sich mir stellt: Was hat mehr Würde, Kaffee oder Tee? Kakao jedenfalls nicht.
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