Ich wär´ so gern ein stolzer Papa!

… folgende Geschichte ist viel kürzer als die darin beschriebenen Abende.

Klar, wir sind alle stolze Eltern – und ich bin ein unerträglich stolzer Vater zweier Jungs, wie die geliebte Ehefrau und Mutter des besagten Nachwuchses immer wieder süffisant bemerkt.

Sie schüttelt resigniert den Kopf, wenn ich betont bescheiden nur am Rande anklingen lasse, wie intelligent die Söhne sind, wie unabhängig und frei im Geist, kreativ und konkurrenzlos mathematisch, selbstverständlich gutaussehend, einfach rundum gelungen.

Sie nimmt es weiter stoisch hin, dass sie mich – umrahmt von den Söhnen – regelmäßig fotografieren muss. Und sie lässt es zu, dass ich den YouTube-Kanal des Ältesten fleißig like und in der Bekanntschaft leidenschaftlich bewerbe. Auf Facebook, Instagram, Xing, Linkedin und via Whats-App. Und zwar in den Stories und in den Beiträgen … ich denke, ich habe diesen Unterschied nur wegen meiner Söhne überhaupt verstanden.

Ein kurzer historischer Diskurs: Die Begeisterung für meine Söhne begann mit dem ersten Tag ihrer Geburt. Was dazu führte, dass ich gerade den Älteren wirklich jedem Menschen vorführte, der in meine Nähe kam. Ich war der absoluten Überzeugung: Nie war ein Baby hübscher als mein Kleiner. Jahre später beim nostalgischen „Lasst uns Fotos anschauen“ begegnete ich dabei dem wenige Monate alten Sohn auf meinem Arm – und erstarrte: Er hatte nämlich in dieser Zeit „Milchschorf“ und war ohne Zweifel wenig appetitlich und plötzlich nicht mehr ganz so hübsch.

Das liebende Auge der Eltern, respektive des Vaters im fortgeschrittenen Alter (ich war 40 beim ersten und 43 Jahre beim zweiten Sohn), besitzt den ultimativen Weichzeichner, der den Nachwuchs im hellsten Glanz erstrahlen lässt. Das weiß ich mittlerweile, kann aber nur schlecht damit umgehen.

Noch ein kleiner Exkurs: Während meine geliebte Ehefrau gerne das Positive und Negative abwägt und auch bei unseren Jungs durchaus deren Schwächen erkennt, bin ich ein treuer und unerschütterlicher Vasall des Nachwuchses. Meine Oma und meine Großtante hatten es bei mir vorgemacht, ich werde daran meinerseits nicht deuteln. Dem „Könnte es sein, dass bei einem Streit unseres Sohns auch er mitschuldig war?“, meiner Frau antworte ich mit einem resoluten „Mir egal. Sohnemann hat Recht und der andere ist ein Depp.“

Familienintern dagegen, also unter acht Augen, habe ich zusammen mit meiner Frau, die glücklicherweise auch hier ähnlich wie ich tickt, eine eigene Strategie entwickelt, um unsere Würde zu behalten und unseren Söhnen nicht allzu peinlich zu werden:

Wir mobben sie herzhaft und voller Hingabe bei jeder sich bietenden Gelegenheit!

Ich gebe aber auch zu, dass die Tatsache, dass ich Vater bin, zuweilen meine niedersten Instinkte und gemeinsten Eigenschaften gegenüber anderen Kindern weckt. Und ich freue mich, wenn ich unter Eltern Geistesverwandte treffe wie die unbeschreibliche K., die mir jüngst einen Abend bei Freunden nicht nur erträglich, sondern sogar vergnüglich bereitete.

Es begab sich nämlich,

dass wir uns mit Freunden bei Familie X trafen. Allesamt mit Kindern im Alter zwischen Grund- und weiterführender Schule, wobei die Mädchen in der Überzahl waren, aber wohl auch sonst den Jungen gesagt hätten, wo es lang geht. Familie X sind hervorragende Gastgeber (und entspannt dabei), so dass es weder an Speis´ (ein hervorragendes Chili) noch an Trank (je nach Gusto edler Wein oder kühles Bier plus Verdauungsschnaps) mangelte. Die Kinder spielten irgendwo und störten nicht. Es war lecker und entspannt, die Gespräche tröpfelten zum zweiten Schnaps und dritten Bier genau in dem Rhythmus dahin, wie ich ihn mag …

… bis das Unvermeidliche sich ankündigte:

Tochter L von Familie Y enterte in Tüll und Schleier den Raum und kündigte eine Aufführung an. Oh ja, es gibt immer eine Show, wenn irgendwo kleine Mädchen sind. Das wusste ich zu diesem Zeitpunkt bereits und heuchelte begeisterte Vorfreude, während ich den Hausherrn um einen dritten Schnaps bat. Wie bei ähnlichen Gelegenheiten davor, übernahmen meine Söhne die Rolle von Statisten – immerhin musste diesmal nur der eine als Baum herhalten, dem anderen wurde in Form eines Pferdes sogar eine „tragende“ Rolle zugewiesen.

Sie hielten sich die nächste halbe Stunde tapfer wie ihr Vater, der Herrn X die Schnapsflasche abgeknüpft hatte und nicht mehr losließ. Die Mädchen, allesamt ohne Zweifel liebreizend und unglaublich talentiert, unterhielten uns mit einer bunten Menagerie aus Ballett, Gesang, Modenschau und nicht zu vergessen: kicherndem Entertainment in den längeren Umbaupausen und öffentlichen Diskussionen, was man denn als nächstes machen wolle.

Ich klatschte brav, trank zwischendurch ein Schnäpschen oder zwei – und handelte mir beim begeisterten „Zugabe“-Ruf einen versteckten Rippenstoß der geliebten Ehefrau und ein bescheidenes „Ja, wenn der Bernhard will“ des stolzen Vaters von Tochter L ein. Ironie ist zum Glück nicht jedermanns Sache, so dass ich mich nur am späten Abend gegenüber der eigenen Frau verantworten musste.

Als das Pferd, also mein Sohn, zum wiederholten Mal mit Tochter X auf dem Rücken über ein Stöckchen springen musste, dazu die anderen Mädchen ein gerade selbst komponiertes Lied intonierten und der Baum ignorant auf seinem Smartphone daddelte, schweifte mein Blick durch die Runde der verzückten Eltern …

… bis ich in die Augen von besagter K. sah. In mir bis dato unbekannter Weise spiegelten sich dort Elend, Leid, Trauer und Leere – dass ihre Tochter gerade mit dem Pferd eine Pirouette drehte, begleitete sie mit einem unverstellten Staunen der Erschütterung.

Innerhalb von Sekundenbruchteilen erkannte ich die „Schwester im Geiste“, die Verbündete bei allen restlichen Abenden mit Vorführungen unserer Kinder, die noch kommen werden.

Ich schenkte mein Schnapsglas mit dem letzten Rest aus der Flasche voll und reichte es K. Die neue, unerwartete Seelenverwandte nahm es und trank es aus. Dankbar.

Seitdem weiß ich auch: Die Tochter von der unglaublichen K leidet unter dem gleichen Schicksal wie meine Jungs. Sie wird von ihren Eltern gemobbt.

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