Begegnungen mit dem guten Stil – von edlen Rotweinen und mächtigen Pfeffermühlen!

Kürzlich saß ich mit einem Freund zusammen. Der kleine, spontane Umtrunk war eine heitere Angelegenheit – obgleich ich heute zugeben muss, dass sich an diesem Abend einmal mehr dieser kleine giftige Pfeil namens „Neid“ in meine Nebennierenrinde gebohrt hat. Und zwar just in diesem Moment, als der Freund sich mit angeborener Lässigkeit eine echte kubanische Zigarre (deren Name er kannte!!) anzündete.

Eines muss man ihm lassen: Stil hat er – und ich steh´ immer wieder bass erstaunt vor den viel zu seltenen Menschen seiner Art, deren individuelles Charakter-Gesamtkonzept sie zur Persönlichkeit macht.

So schöpft der Stil meines Freundes seine Lebenslust aus der herrlichen Tradition eines Prager Bonvivants, der als erfolgreicher Genussgänger die Damen mit dezent lasziver Ader hochanständig betört – mit geistreichem Geplauder, das versteht sich von selbst.

Dazu allerdings in der Lage zu sein, kommt nicht von ungefähr. Vielmehr sind unabdingbare Voraussetzung solch gearteter Souveränität die kenntnisreiche Lektüre von Shakespeare und Lord Byron (natürlich nur im Original), der intensive Genuss französischer Filme (ebenfalls im Original), die wöchentliche Entspannung beim Tango (im argentinischen Original, was sonst) und die regelmäßigen Konsultation des Sushi-Geheimtipps (auch hier im sehr beweglichen Original, was immer das auch bedeuten mag) der Stadt.

Menschen wie mir begegnet der Freund generell amüsiert tolerant – mit genau einer Ausnahme, wenn er plötzlich von missionarischem Eifer getrieben wird: Es geht um die leidenschaftliche Meisterschaft des Amateurkochs, für den eine simple Brotzeit oder einfaches Nachtmahl, wie ich sie gerne zu mir nehme, eine Beleidigung nicht nur seines Geschmacks, sondern der gesamten abendländischen Kultur darstellen. Da rettet mich auch nicht zum Fleischkäse der südfranzösische Feigensenf, den ich geschenkt bekommen habe.

Ich sagte es bereits, mein Freund hat Stil, weshalb er natürlich selbst kocht – und zwar ausschließlich mit Zutaten, die er in der Markthalle bio-ausgesucht oder auf dem Balkon frisch gezogen hat. Als Musterschüler von Witzigmann, Lafer und Biolek (nun, er ist keine 30 mehr) ignoriert er das Schwein und pflegt Hasen, Reh und Lamm, die als Hauptgang mit zartem Gemüse und luftigen Saucen an, auf, über oder unter korrespondieren, kuscheln und noch viel schlimmere Dinge machen.

Ein Menü des Freundes beginnt traditionell mit einer Bouillabaisse – ich bin mir sicher, die Meeresfrüchte und der Fisch darin sind eigens angeschwommen und leben noch. Während ich die maritime Vorliebe des Gourmets akzeptieren kann, quittiere ich den anschließenden Rucola-Salat (mit kurz gerösteten Croutons) Salat mit völligem Unverständnis: Das ist wohl das überflüssigste Unkraut, das jemals aus Italien auf unsere Teller kam!

Zum Glück folgt versöhnlich ein Rotwein, von dem ich den Preis gar nicht wissen will, ihn aber trotzdem erfahre (weil diese Information zum Bericht über das abgelegene italienische Weingut gehört), dazu Pasta aldente, die bei mir im Plural immer noch harte Nudel heißen. Über diese, serviert mit der schwarzen Tinte von kleinen Kraken, reibt mein Freund exquisiten Käse mit einer sehr edlen Parmesanreibe aus Verona. Ich bin beeindruckt von den Koch-Gerätschaften – aber die überdimensionale Pfeffermühle mit unverwüstlichem Peugeot-Mahlwerk macht mir doch ein wenig Angst.

Eine Angst, die sich kurz darauf noch verstärkt, als mein Freund mit einem japanischen Messer, im Vulkan 26fach geplättet, akrobatisch den Hauptgang filetiert. Da hilft nur ein weiteres Glas Rotwein: Ich trinke mich also durch Lamm und Reh – bis hin zum Mousse au chocolat, das mein Freund natürlich nach einem Geheimrezept gezaubert hat. Seine Frage, ob ich dazu einen Latte macchiato oder Espresso aus seiner sehr schicken und teuren Espresso-Dampfanlage möchte, beantworte ich gedankenverloren mit „Lieber eine Tasse Filterkaffee“.

Und genau das ist der Unterschied, der angesichts des fehlenden Stils meinerseits abermals den kleinen giftigen Neid-Pfeil in meine Nebennierenrinde bohrt.

Auch gut, dann gieße ich mir eben noch ein Glas Rotwein ein.

Bild von Hebi B. auf Pixabay

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