27. Januar bis 13. März: Gedanken und Beobachtungen

Ich gehe gerne auf Friedhöfe. Dort ist es meistens ruhig und man hat viel Zeit, seine Gedanken einfach mal treiben zu lassen:

Die Detailgenauigkeit des Besserwissers macht jede Geschichte kaputt. Es ist nämlich völlig egal, ob ich 34 oder 30 oder 60 Kilometer gelaufen bin….

Friedhofserzählungen: Angeblich ist ein Friedhof die älteste aller Dating-Plattformen (zumindest mit den ältesten Dating-Teilnehmern). Wichtigstes Utensil ist die Gießkanne, sprich der Gießknopf. Zeigt er nach unten, so heißt das „kein Interesse an neuer Partnerschaft“, zeigt er nach oben genau das Gegenteil. Ich werde künftig vorsichtiger sein, wenn ich unser Familiengrab gieße.

Schon meine Mutter schimpfte, dass ich nichts richtig zu machen kann. Weder die Schublade noch die Trinkflasche noch die Zimmertüre. Jetzt sagte mir eine einschlägig ausgebildete Bekannte, es liege vielleicht daran, dass ich keine Sache abschließen mag. Oder aber mir immer ein Hintertürchen offen lassen will. Ich solle mir aussuchen, welche Deutung mir besser gefalle….

Ein sudetendeutscher Geist in Bayern kennt auch in der Generation nach der Flucht noch den einzigartigen Geschmack von Buchteln, die nicht ganz aufgegangen sind.

Und schon wieder fehlte die Überzeugung.

Ich mag provisorische Momente wie zum Beispiel am Vorabend eines lange geplanten, großen Festes. Wenn sich die noch erwartungsfreie Zone mit der Erschöpfung im ersten Schluck eines kühlen Weißbieres verbindet. Wenn ein paar gelassene Helferinnen noch Blumengebinde stecken und der Nachbar mit dir das letzte schwere Teil schleppt. Wenn man einfach da sitzt, schaut, nicht denkt und zusammen nichts redet.

Ich arbeite gerne im Garten. Man sieht Pflanzen wachsen. Manchmal. Manchmal lehrt es einfach nur im Scheitern und Sterben eine große Demut. Und dann schwitzt man bei der Arbeit auch. Das ist gut.

Ich mag laute Menschen. Natürlich nicht alle, aber viele. Und ich mag besonders gerne laute Frauen. Die sich nicht um die Meinung anderer scheren, die wilder tanzen, sich bunter kleiden, dreckiger lachen, mit ihren Erzählungen einen Raum fühlen, immer etwas „zu viel“ sind und meinetwegen auch reichlich Farbe ins Gesicht malen. Und die Dinge tun, die man doch nicht tun darf. Über die andere so gerne lästern und den Kopf schütteln. Ich mag diese lauten Frauen, die ihr eigenes Leben haben und es leben – und deshalb so anziehend sind.

Du bist das Fragezeichen und ich bin der Punkt. Ich stell´ die Fragen und du setzt den Punkt.

Ich liebe den Film „Mister Hobbs macht Ferien“ mit dem unvergleichlichen James Stewart. Dort gibt es diese eine Szene (ab 1:26:00 ), in der Roger Hobbs als Vogelkundschafter das Laufen mit gebeugten Beinen lernt. Für mich ist es das Paradebeispiel dafür, wie man lächerlich sein kann und dennoch seine Würde bewahrt.

 

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