Zu meinem jüngsten Geburtstag habe ich von meiner Gattin einen Wok geschenkt bekommen. Ich hatte ihn mir sehnlichst gewünscht. Er passt sehr gut zu meinem japanischen, stets scharfen Messerset, der Pfeffermühle mit Porsche-Mahlwerk, der Knoblauchpresse aus Edelstahl und allerlei anderem nützlichen Kochgeschirr und formschöner Utensilien, die den stimmungsvollen Rahmen meiner brutzelnden und dampfenden Leidenschaft bilden. Ich koche so gerne.
Natürlich bin ich auch stolzer Besitzer einer Sammlung erlesener Gewürze und wartet im Garten ein gepflegtes Beet mit frischen, selbst gezogenen Kräutern auf mich. Auf dem Wochenmarkt habe ich in den vergangenen Jahren viele Freundschaften mit Stand-Betreibern geschlossen, die mir zu Fleisch, Käse und Gemüse den passenden Zubereitungstipp reichen.
Während es die Damen und Mütter in meinem Freundeskreis gerne praktisch haben, allerorts der Thermomix Einzug gehalten hat und er fleißig für die Zubereitung von Suppen, Backwerk und Erdbeerlimes genutzt wird, kenne ich keinen Mann, der diese Höllenmaschine bedienen kann.
Bis auf wenige Ausnahmen kochen alle mir bekannten Männer, die zwischen 45 und 65 Jahre alt sind. Dabei vergeuden die wenigsten ihr Talent mit Schinkennudeln, Leberkäs mit Ei oder Bratkartoffeln, vielmehr fühlen wir uns allesamt verantwortlich für kulinarische Erlebnisreisen, die in die abgelegensten Regionen Apuliens, in die höchsten Berge Perus, zu den mystisch-pikanten Suppenküchen Indiens und natürlich in die besten texanischen Steakhäuser führen.
Nicht alle von uns waren in diesen Ländern, aber wir blättern regelmäßig & intensiv in ausgewählten Kochbüchern und sind treue Besucher von chefkoch.de & Co. Dabei keimt in mir der untrügliche Verdacht, dass die ungehindert wuchernden Online-Plattformen mit Koch-Rezepten einzig für Männer wie mich gefüllt werden von Frauen, die kochen können. Es gilt: Je älter die Köchinnen, desto begehrter ihre Ratschläge und Geheimnisse.
Weil Männer gerne in Hierarchien denken und handeln, gibt es bei uns natürlich auch einen Meister: meinen Freund Markus. Er ist unser eigener „Paul Bocuse“, der selbst Rühreier (die bei ihm von Wachteln stammen) nicht einfach in die Pfanne schlägt, sondern in einer einzigartigen Choreografie die Gerätschaft, das Produkt (also die Eier) und geheimnisvolle Zutaten in vollkommener Harmonie verbindet – und jedes Mal aufs Neue seine Koch-Novizen zu spontanen Beifallstürmen animiert.
Markus ist hin und wieder Single. Er bewegt sich also vornehmlich zwischen den Aggregatszuständen „allein sein – flirten – frisch verliebt“, was dazu führt, dass er nahezu 365 Tage im Jahr genau das kochen kann, wonach ihm gelüstet. Ein Luxus, der den Vätern in meinem Freundeskreis verwehrt bleibt, weil: Kinder essen das meiste nicht, was Erwachsenen schmeckt.
Da hatten wir Väter (vier an der Zahl) die brillante Idee, einmal monatlich an einem Abend für unsere Ehefrauen ein Sechs-Gang-Menü zu zelebrieren, während der Nachwuchs mit Pommes, Würstel und PC-Spielen bestens versorgt wird. Jedes Koch-Event wurde einem Land gewidmet.
Erst Italien, dann Indien, gefolgt von Spanien und schließlich Bayern – die Zwischenbilanz der bisherigen Kochabende ist … sagen wir es nett … durchaus diskussionswürdig. Nicht, was Sie jetzt meinen: Tatsächlich bewegten sich 95 Prozent der zubereiteten Speisen in der Spanne von „genießbar“ über „lecker“ bis hin zu „Sternewürdig“. ABER: Männer haben beim Kochen kein Gefühl für Mengen. Sie denken und handeln großzügig, sehr großzügig.
Und so geschah es zum Beispiel kürzlich beim Bayerischen Abend, dass der Salat die Größe einer üppigen Hauptspeise hatte und die drei Forellen (pro Portion) im zweiten Gang unsere Frauen bereits zur Aufgabe zwangen, während wir den lukullischen Massen mit einem ersten Obstler zu begegnen versuchten. Derer folgten im Laufe des Abend und der Nacht noch viele weitere Obstler, denn in der Speisenfolge reihten sich aneinander eine Viertel Gans, ein deftiger Schweinebraten, ein saures Lüngerl und schließlich als krönender Abschluss eine Bayrische Creme in sehr großen Schalen (von Dessert-Schälchen zu sprechen, wagten wir selbst mit mittlerweile sechs bis neun Obstler nicht).
Um 5 Uhr frühmorgens (unsere Frauen hatten sich bereits weit vor Mitternacht verabschiedet) blickten wir ängstlich auf die Geschirrtürme in der Spüle, ächzend auf unsere dicken Bäuche und dümmlich grinsend auf die leeren Obstler-Flaschen.
Es war ein Abend, von dem wir noch als alte Männer erzählen werden. Wir wussten aber auch, dass es so nicht weitergehen darf. Die Kochabende wollen wir nicht fallen lassen, als erste Idee brachte einer (der Alkohol vernebelte die Zuordnung, wer das gesagt haben könnte) ein veganes Menü auf den Tisch, von dem es sofort auf den kalten Boden hinabstürzte – und dort auch bleibt.
Nur noch zweimal im Jahr, nur drei Gänge, mindestens 70 Prozent Gemüse- und Salatanteil, kein Wein und kein Bier und kein Schnaps dazu – wir wälzten uns ohne Überzeugung von Vorschlag zu Vorschlag. Bis einer meinte: „Wo ist eigentlich Markus?“ Tatsächlich hatten wir ihn angesichts aktuell fehlender weiblichen Begleitung nicht geladen; ein Manko, das wir jetzt nicht mehr überbewerten wollten. Im Gegenteil scheint er der Wegbereiter aus dem Dilemma zu sein.
Mein Freund Markus nämlich pflegt die Diktatur von Meeresfrüchten, denen ich mich verweigere. Und sein Geschmack ist nicht nur erlesen, sondern auch sehr kostspielig. Ohne Zweifel werden mit ihm die Portionen kleiner (dafür der Wein besser) … ich werde berichten.
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