Weihnachtsbrief 2021

ABBA ist zurück und Adele hat nach vielen Jahren ein neues Album mit Titel „30“ veröffentlicht, das einen daran erinnert, dass sie nicht so alt ist wie die schwedische Pop-Gruppe. Obwohl man irgendwie das Gefühl hat. Legendenstatus besitzen beide, ebenso wie die Samstagabendshow „Wetten dass…?“ und die wöchentliche Pro7-Albernheit „TV total“. Beides tauchte 2021 plötzlich wieder auf und wie bei ABBA und Adele wurde mir dabei ganz warm ums Herz.

Liegt es an diesen irren Zeiten, in denen ein Virus nun schon im zweiten Jahr Politik und Wirtschaft, Gesellschaft und Familie, Gedanken und Gespräche bestimmt? Müdigkeit und Verzweiflung brechen sich zunehmend Bahn, Verständnis und Mitgefühl sind Empörung und Wut gewichen. Und ja: Es ist immer der andere schuld. Natürlich. Wer auch sonst?

Liegt es an diesen unglaublich anstrengenden Zeiten, in denen die innere, zermürbte Stimme jeglichen Optimismus höhnisch ins Absurde zieht?

Liegt es an diesen wahnwitzigen Zeiten, dass die nostalgische Flucht in die Vergangenheit und die sentimentale Freude am Altbekannten so wichtig geworden sind, um Herz und Seele die nötige Ruhe zu verschaffen? Freundliche und friedliche Momente als Geschenk aus zurückliegenden Tagen.

Für mich weiß ich: Weihnachten kann das, Weihnachten ist genau das.

Als Kind habe ich mich an Weihnachten vor allem auf und über die Geschenke gefreut. Als Jugendlicher war ich froh darüber, wenn mein nicht viel älterer Onkel Roland und seine Frau bei uns vorbeischauten, weil ich dann jemand zum Reden hatte. Als Erwachsener genoss ich die letzten Weihnachtsfeiern mit meinen Eltern, meiner Schwester und allen Großeltern als heimelige Stunden im altmodischen Wohnzimmer mit Ananas-Bowle, Schokoladenbrot und zwei Weltenburger Dunkle.

Schließlich selbst mit eigener Familie, bin ich glücklich über zwei Jungs, die sich über Weihnachten (und die Geschenke) so freuen wie ich 40 Jahre zuvor. Und ich bin froh über eine Frau, die zwar andere Weihnachtsrituale als ich mit in die Ehe brachte, die ihr aber, was entscheidend ist, wie unsere neuen Rituale sehr wichtig sind. Und sei es das Raclette und Pokern mit Onkel Roland, der an Weihnachten wieder mit dabei ist.

Ein Gefühl gehörte zu Weihnachten immer dazu: Dankbarkeit.

Ich bin ein naiver Träumer und ebenso ein sarkastischer Kritiker. In dem vergangenen halben Jahrhundert habe ich gelernt, dass Widersprüche einfach dazu gehören. Und so kann ich ganz wehmütig dankbar sein – und mich lustig machen über alle jene Moralisten, die das Schild der „Dankbarkeit und Demut“ jedem über den Schädel schlagen, der es verdient.

Und deshalb tue ich mir auch so schwer, in das weithin vernehmliche Lamento einzustimmen, dass wir alle immer mehr wollen, immer mehr fordern und immer seltener zufrieden sind. Ohne Zweifel es stimmt ja, aber darüber zu jammern, macht mich nicht dankbar. Und demütig schon gar nicht.

Kann und darf ich Menschen kritisieren, die mit dem Pathos der Überzeugung und des moralischen Rechts verurteilen, richten, kritisieren und lästern? Drehe ich mich dabei nicht in einem Kreis und lande ganz schnell wieder bei mir selbst? Ein spannender Gedanke, der kein Ende findet, was ja auch in der Natur des Kreises liegt … das wiederum finde ich lustig.

Die Adventszeit versetzt mich auch im zweiten Pandemie-Jahr in eine wohlwollende, in eine dankbare und manchmal auch demütige Stimmung. Da ich aber im Dezember trotzdem der Mensch bleibe, der ich in den restlichen elf Monaten des Jahres bin, gelingt es nicht immer, diese unschuldig-guten Gefühle in jedem Augenblick auch umzusetzen. Und schade, dass es kurz nach Weihnachten meist schnell wieder vergessen ist, was man in den stillen Tagen spürte.

Vielleicht ein Grund, warum Weihnachten alle Jahre wieder stattfindet? Um uns Menschen immer wieder daran zu erinnern, weil unser Gedächtnis so schlecht ist?

Fröhliche und gesegnete Weihnachten!

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