Alles gut!

Immer wieder ertappe ich mich dabei, mit welcher Inbrunst und nervig oft ich Floskeln bzw. Lieblingswörter gebrauche. „Tatsächlich“ ist so ein Wort. Gerne nehme ich auch „absolut“ und „durchaus“ – als wenn ich es nötig hätte, jede Aussage dreifach zu unterstreichen, um keinerlei Zweifel an ihrem objektiven Wahrheitsgehalt und ihrer Überzeugungskraft aufkommen zu lassen.

Das Absurde dabei: Ich lästere gleichzeitig begeistert über das „ehrlich gesagt“ des Gegenübers, der mit einem „Fakt ist!“ noch eins draufsetzt. Und ein „Du musst doch zugeben“ in Verbindung mit „jeder vernünftige Mensch“ grenzt bereits an Nötigung – und wird doch inflationär eingesetzt.

Das Argument als solches,

ganz nackt und allein,

bedarf des Füllworts

oder gerne auch zwein.

Wir wissen, wie albern das ist.

Jeder Mensch hat seine sprachlichen Eigenheiten und Skurrilitäten, an denen ihn der aufmerksame Zuhörer erkennt. In seiner rudimentärsten Form reduziert es sich auf ein „Äh“, welches mal mehr und mal weniger zum gesprochenen Satz gereicht wird. Ich denke gerne an den geschätzten Geschichtslehrer meiner Schulzeit, dessen Unterricht wir mit dem Zählen seiner „Äh“ verbrachten und die Pausenbreze darauf verwetteten, wie gut wir seine Leistung schätzten. In Rekordzeiten brachte er es auf 100 „Äh“ in 45 Minuten – in den vielen Jahren danach traf ich auf einige Menschen, die dies noch locker überbieten sollten. Das Zuhören … eine Qual.

An Ihren sprachlichen Spezialitäten und Seltsamkeiten sollst du sie erkennen!

Die Coaches und Berater zum Beispiel, die uns auf dem Weg zum Erfolg begleiten, sagen zum Beispiel gerne:

  • Am Ende eines Tages…
  • Entscheidend über Sieg oder Niederlage.
  • Der Drops ist gelutscht.

und als sprachliche Geißel der Neuzeit: ALLES GUT. Mittlerweile ist die Beschwichtigungsformel so prominent, dass sich Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und selbstverständlich auch die BRIGITTE zu tiefenpsychologischen Betrachtungen und gesellschaftsrelevanten Erkenntnissen bemüßigt fühlen. Kurz zusammengefasst kommen alle zum Ergebnis: Nichts ist gut, wenn alles gut ist.

Der Berufs-Nörgler ohne eigenen Handlungswillen treibt sein Gegenüber gerne in den Wahnsinn, weil er an allem etwas auszusetzen hat und die permanente Gegenrede, garniert mit einem „Sehe ich nicht so“ zum tiefenpsychologischen Prinzip erhebt. Der unvermittelte Todesstoß in der Diskussion sind aber nicht die besseren Argumente, sondern ein lapidares „Ist mir eigentlich egal“. Ich gebe zu, nur das „Ruhig, Brauner!“ und ein „Haben wir sonst keine Probleme!“ bringen mich ebenso auf die Palme und lassen mich dennoch fassungslos zurück.

Während ich um Coaches und Nörgler einen weiten Bogen mache, fängt mich der Kumpelhafte immer wieder ein. Der Habitus des „Buddy“ umarmt mich warm und männlich, einem „Mal Butter bei die Fische“ und „Unter uns Gebetsschwestern“ kann ich kaum widerstehen. Ohne Zweifel, wegen solcher Leute habe ich schon viele falsche Entscheidungen getroffen – und falle trotzdem immer wieder auf sie herein.

Epilog: Während ich – manchmal häufiger, meist weniger erfolgreich – versuche, besagte Wörter und überflüssige Floskeln zu vermeiden, halte ich an meinem Faible für bairische Ausdrücke fest. Ich werde mich auch in Zukunft „sakrisch“ freuen und etwas mit „pfundig“ kommentieren, wenn es mir gefällt. Und es wird Tage geben, an denen ich ganz „malad“ bin und das „vermaledeite“ Problem für mich einfach nicht zu lösen ist. In solchen Situationen beginne ich dann Geschichten zu schreiben….

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

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