Bewahren Sie Haltung!

Es gibt kurze Sätze, nicht selten im Imperativ, an denen sich meine Gedanken ohne mein großes Zutun abarbeiten. „Bewahren Sie Haltung!“ ist so ein Satz, „Es ist eine Frage der Würde!“ gehört auch dazu. Und während ich sie hinschreibe, keimt in mir der Verdacht auf, dass das eine mit dem anderen mehr zu tun haben könnte als gedacht ….

„Haltung bewahren“ erinnert mich zuallererst an die Mahnung meiner Mutter, doch „aufrecht zu sitzen, zu stehen oder zu gehen“. Es ist das Los körperlich großer Menschen, dass sie dies eben nicht tun, weil sie sich in Gegenwart anderer gerne kleiner machen. „Geh nicht so krumm!“ – es ist ein Reflex des mangelnden Selbstbewusstseins oder eine Notwendigkeit der „auf gleicher Augenhöhe“-Kommunikation. In gebückter Haltung souverän zu wirken, ist kaum möglich.

Jede Beugung um weitere Zentimeter (sofern man sich nicht vor ein Kind hinkniet) beantwortet zudem die Frage nach der Würde negativ.

Ich bestaune seit jeher Menschen, die so aufrecht sitzen, als wäre ihnen ein überlanges Lineal an ihre gesamte Wirbelsäule (also inklusive der Nackenwirbel) implantiert worden. Deren Kopf perfekt austariert auf dem geraden Hals sitzt, während das markante Kinn nach vorne gestreckt Selbstbewusstsein verspricht. Diese Menschen „können Hut tragen“, ich dagegen sehe selbst mit einer Mütze dämlich aus – vom im Laufe der Jahre sich verstärkenden Rundrücken und dem seit jeher fliehenden Kinn ganz zu schweigen.

Klar, die stattliche Körpergroße von knapp 2 Metern verschafft mir manchen Eindruck bei anderen, kleineren Menschen (eine Ex-Kollegin nannte mich süffisant „Der, wo dunkel wird im Zimmer, wenn er in der Tür steht“), der jedoch in der seitlichen Betrachtung meiner Wenigkeit (Sie wissen schon, Rundrücken, fliehendes Kinn und so) schnell schwindet. Ich versuche diese Makel zu kompensieren, indem ich beim Gehen wichtigtuerisch-philosophisch die Arme hinter dem Rücken verschränke und die Hände beim Sitzen am Hinterkopf falte. Eine Bekannte, die sich in den Geheimnissen der Körpersprache auskennt, meint, dass würde in der Theorie und bei den allermeisten Menschen … egal, bei mir tut es das nicht.

Vielleicht liegt es daran, dass ich so „offen auf dem Rücken“ nicht schlafe, sondern auf der Seite, bevorzugt in Embryonalstellung. Das ist sicher auch eine Art von Haltung, aber eigentlich wollte ich gar nicht über Körperliches schreiben…

„Ein Mensch zeigt Haltung. Er bewahrt Haltung auch in schwierigen Situationen.“

Im übertragenen Sinne einer Charakterbeschreibung bedeutet dies, dass dessen moralische Standfestigkeit (idealerweise ohne Prediger-Attitüde) und Integrität auf inneren Prinzipien fußen und nicht jedem Gegenwind zum Opfer fallen. Die – in heutigen Zeiten aktueller denn je – z.B. für Menschenrechte eintreten, dumpfen Parolen widersprechen und Mitgefühl zeigen.

Kurzum: Aufrechte Menschen verdienen unseren Respekt, wenn nicht sogar unsere Hochachtung. Und dafür braucht es gar nicht vieler Worte.

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