Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss. So nannte Étienne Chatiliez 1988 seinen Film, den ich allerdings nie gesehen habe, weil mich die Geschichte von vertauschten Säuglingen wenig interessierte. Der Titel des Films aber gefiel mir und gefällt mir noch heute, weil er ein schönes Bild malt – und ich in diesem Bild gerne am Fluss sitze und darauf warte, was da an mir vorbei treibt.
Am Fluss fällt es schwer, keine philosophischen Gedanken zu haben. Die Strömung samt Strudeln, von der Quelle ins Meer, Ufer und Untiefen: die Fülle an möglichen Metaphern, die sich so trefflich auf das Leben anwenden lassen, treibt vorüber wie ein Stück Holz, das vielleicht Kinder achtlos ins Wasser geworfen haben. Und natürlich ist dem triebhaften Alltags-Revoluzzer das Bild des „gegen den Strom schwimmen“ unvermeidbar. Allein, ich bin kein Lachs.
Zum Glück gibt es Enten. Die sind nicht philosophisch, sondern lustig. Irgendwie.
Ich frage mich, ob die Geschichte, die ich hier schreiben will, schon an mir vorbei getrieben ist. Es könnte sein … oder nicht. Es ist auch nicht wichtig, denn am Ufer eines Flusses verfügt man über alle Zeit der Welt, sofern man kein Handy, Smartphone oder Tablet dabei hat. Denn wer auf Wasser schaut, versäumt nichts. Gar nichts.
Am Ufer eines langen, ruhigen Flusses denke ich viel und träume noch mehr. Erstaunlicherweise habe ich aber auch sehr viel Zeit um an rein gar nichts zu denken. Das sind wohltuende Pausen, in denen ich das Gedachte und die Träume meistens auch wieder vergesse. Das ist zwar irgendwie dumm, andererseits erscheint es mir im Laufe der Jahre zunehmend nebensächlich.
Es ist nicht wichtig, was und wie viel man vergessen hat. Zumindest für denjenigen, der am Ufer des Flusses sitzt und gerade keine weiteren Pläne hat. Wasser relativiert, zum Beispiel auch die vielen Möglichkeiten, die ein Leben bietet. Bei mir wird dann aus einem „was wäre, wenn“ früher oder später ein „es ist genau so, wie es ist“.
Ich bin mir sicher, die Enten würden mir beipflichten, wenn sie könnten.
Ich habe mir überlegt, ob ich mit dem Angeln beginnen könnte. Das erscheint mir eine vernünftige Beschäftigung zu sein. Ich würde aber auf Köder verzichten, denn einen Fisch zu fangen scheint mir nur unnötige Hektik für die Idylle zu bedeuten. Ich würde also sowohl angeln als auch Fische in Ruhe lassen – wie ich überhaupt ein „sowohl als auch“-Typ bin. Ein „weder noch“ ist mir genau so fremd wie ein „exakt so“, denn es schränkt einfach das Schauen und das Träumen zu sehr ein. Und sicher hätten darin keine Enten Platz.
Ich sitze gerne am Ufer eines Flusses. Aber wo ist nun die Geschichte, die ich schreiben wollte?