Praxis-Test: Ein Urlaub „offline“

Ich habe es getan. Ich verbrachte mit meiner Familie einen zweiwöchigen All Inclusive „Light“-Urlaub in einer Schilfhütte im der Ferienanlage Pine Beach Pakostane. Ich habe mein Smartphone im Safe eingesperrt und dort 14 Tage gelassen – was reichlich Zeit für Beobachtungen und noch mehr Raum für Gedanken geschaffen hat.

In der Ferienanlage sind die Hütten ohne Strom. Für die Smartphone-Nutzer gibt es Solar-Bankerl zum Aufladen der kleinen Dinger. Die wenigsten funktionieren. Was dazu führt, dass an jeder Steckdose (Restaurant, Bar, Waschanlage etc.) ein Smartphone oder eine Power-Bank hängt. Das schaut sehr ulkig aus.

Dieser verschämte Blick, dieses zaghafte Nicken, wenn man am Strand (ersatzweise Pool) frühmorgens um 6:30 Uhr einem anderen Urlauber mit Handtüchern begegnet. Und die kaum verhohlene Angst, der andere könnte die besseren Plätze reservieren.

Ich mag gerne vor der Hütte oder an der Freilicht-Bar sitzen und die Leute beobachten, die vorbei kommen. Ohne Gefahr zu laufen, sich in einem längeren Gegenüber unwohl zu fühlen, sieht man viele Menschen in kurzer Zeit und schärft den Blick sowohl für die Details auch für das Wesentliche.

Der Lärm der Zikaden. Irgendwann hört man ihn nicht mehr.

Tischmanieren, was war das gleich noch einmal? Unabhängig von Alter, gesellschaftlicher Schicht oder Familienstand – der Essensvorgang erinnert an Schaufelradbagger, die Fisch, Huhn und Gemüse in den Mund transportieren. Und die Ellenborgen? Natürlich auf dem Tisch!

Wer Tische zusammen schiebt, stört die alte Ordnung.

Der Windsurf-Lehrer weiß angeblich, wann der Wind gut ist. Als „Kind des Meeres“ fühlt er es nach eigenen Worten. Fragt man aber nach (und glaubt es nicht einfach), erklärt er, dass die dunkle Farbe des Meeres die Windschneise markiert. Und wenn sie nah genug ist, geht es los. Fazit: Wer klug entscheidet, hat vorher genau beobachtet.

„All Inclusive“ und „Buffet“ bringen im Menschen sein Schlechtestes zutage. Früher oder später, meist früher, setzt sie sich in Gang – die Spirale aus Gier und Angst zu kurz zu kommen.

Vier Jungs am Steg. Plötzlich schreit einer „Der Boden ist Lava!“ – und wie vom wilden Affen gebissen, reißen sich die anderen drei die Klamotten vom Leib und springen ins Meer. Nach „Dab“ und „Bottle Flip“ habe ich wieder etwas gelernt, was eigentlich meinen Jungs vorbehalten sein sollte.

„Italiener und Empathie“ scheint mir ein spannendes Thema zu sein. Die Verweigerung von zwischenmenschlichem Abstand, temperierter Lautstärke und Erziehung zerstörungswütiger Kinder (meist männlich) könnten darin vorkommen…

Ich habe den Sinn von Stand-Up-Paddling immer noch nicht verstanden.

Es gibt genügend Mädchen und Frauen mit einem Hang zur Meerjungfrau. Gib ihnen einen Felsen, idealerweise am Meer, und sie nehmen die Arielle-Position ein. Ich habe das auch ausprobiert. Sieht bei mir nicht schön aus.

Die zweifelsfrei größten Sadisten findet man unter den Designern von Einheits-Strand-Liegestühlen aus Plastik. Eine Stunde darauf und man kennt die Schmerzen… Meine Söhne meinten daraufhin: „Wir werden dir aufhelfen, Papa, aber wir werden dich nicht tragen.“ Blöd, denn gerade darauf habe ich gehofft.

Indirekte Erkenntnis aus der Boots- und Schwimmwestenzuteilung: Gib einem Menschen eine Trillerpfeife und er fühlt die Macht.

Aqua-Aerobic im seichten Meer, Massen-Yoga in der Urlaubsgruppe, abendliche Karaoke-Sause gleich nach der Mini-Disco – warum nur schießt mir immer wieder der Begriff „Würde“ in den Sinn? Das gilt übrigens auch für Stand-Up-Paddling.

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