Heute erzähle ich die Geschichte eines Bekannten (nach), wie er sie mir glaubhaft berichtete: „Am vergangenen Montag hatte ich einen lang vorbereiteten Geschäftsabschluss zu feiern. Nach ein paar Gläsern besten Schampus im Kreise von jubelnden Kollegen ging ich bestens gelaunt nach Hause, durchströmt von Selbstbewusstsein und der festen Überzeugung, ein stattlicher Hecht im Karpfenteich des Lebens zu sein.
Ich freute mich darauf, meiner liebenden Ehefrau und dem zweifellos stolzen Nachwuchs am Erfolg des Familienvorstandes teilhaben zu lassen – und plante sogar, generös den Pizza-Dienst um die Ecke anzufordern und ein außerplanmäßiges Dinner zu spendieren.
Der Plan ging nicht auf.
Es war kein Mensch daheim, vielmehr berichtete ein kleiner, klebriger und gelber Zettel – lieblos an die Kühlschranktür geklatscht und dreimal von mir übersehen –, dass meine Angetraute heute Abend mit ihrer besten Freundin eine Vernissage besuche. Gegen kulturelles Interesse will ich nichts sagen, aber hätte sie mich nicht kurz anrufen können?
Die Frage nach meiner studierenden (und noch zuhause wohnenden) Tochter beantwortete sich von selbst, als ich den Anrufbeantworter des Telefons abhörte: „Hallo Paps, bin heute Abend weg.“ Über etwas mehr Information hätte ich mich gefreut!
Wo mein halbwüchsiger Sohn war, erfuhr ich wenig später mit einem warmen Bier vor dem PC im Internet-Forum Facebook. Dort teilte der Filius seinen Freunden mit, dass er auf einer Party aktuell den Verlust seiner Unschuld in Angriff nehme. Hatte ich ihn überhaupt schon aufgeklärt? Egal, gerade gab ihm ein gewisser „Porno-Georg“ in Echtzeit die entscheidenden Tipps.
Während ich diese mit zunehmendem Staunen studierte, klingelte das Telefon. Meine Frau? Meine Tochter? Oder gar der Sohn, der väterlichen Rat benötigte? Nein, es war ein Werbe-Anruf – nicht einmal mehr persönlich von einem leidlich geschulten Call Center-Agenten, sondern von einer krächzenden Metall-Stimme vom Band.
Bis dato noch kein persönliches Wort für den Erfolgreichen, also für mich.
Es blieb die letzte Rettung des einsamen Mannes: Ein Anruf bei seiner Mutter. In der Senioren-Residenz erreichte ich sofort ihre Betreuerin. Sie teilte mir allerdings mit, dass meine Mutter im Falle eines Anrufs eine Nachricht hinterlassen hatte. „Mein lieber Sohn“, las die Betreuerin vor, „ich bin gerade mit einem Bekannten auf einer Nil-Kreuzfahrt und schicke Dir auf diesem Wege liebe Grüße. Deine Mama.“ Sie ist in Ägypten? Und warum weiß ich nichts davon? Und wer ist dieser Bekannte?
Die nächsten zwei Stunden blieben trostlos: Mein bester Freund antwortete auf meine E-Mail mit einer Abwesenheitsnotiz, meine Schwester gratulierte mir per iPhone und Youtube-Video zum Geburtstag. Der lag aber bereits einen Monat zurück.
Drei Outlook-Erinnerungen, gefühlte 100 Twitter-Meldungen in 20 Minuten und vier SMS von Personen, die ich nicht kannte – aber immer noch kein gesprochenes, freundliches Wort von einem lebenden Menschen nur für mich. Ich versuchte es beim Radio-Gewinnspiel, ich kam nicht durch. Ebenso wenig wie beim Rate-Marathon auf Neun Life. Und beim Shopping-Kanal waren die Bauchtrimmer ausverkauft – just in dem Moment, als ich anrufen wollte.
Sollte ich auch ausgehen? Der Barkeeper würde sicher mit mir reden – und sich vielleicht denken „der arme Kerl“. Ich bleibe lieber daheim oder?“
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