Der kleine Bernhard wurde nicht abgeholt

Ich bin bis jetzt noch aus jedem Meeting verstörter herausgekommen als ich hineingegangen bin. Das liegt nur in den seltensten Fällen an den Themen, sondern vor allem an den Leuten – und den seltsamen Wörtern, die sie gebrauchen.

Abgefunden habe ich mich damit, dass ich bei einem Geschäfts-Meeting der einzige Mann bin, der seine Haare nicht kurz und zudem keinen blauen Anzug trägt. Von den braunen Schuhen und dem dazu passenden braunen Gürtel ganz zu schweigen. Jede Zeit hat eben ihre Uniformen.

Was mir dagegen zu schaffen macht: Ich lasse mich gerne von der Arroganz mancher Meeting-Teilnehmer beeindrucken. Das gilt in besonderer Weise für Manager aller Couleur in Unternehmen, die meine Dienstleistung in Anspruch nehmen. Aber dann geschieht es, dass irgendwann der Chef oder der Chef vom Chef erscheint – und in neun von zehn Fällen mutiert die Arroganz zur Unterwürfigkeit. Unabhängiges Selbstbewusstsein ist selten, ich hätte auch gerne mehr davon.

Hierarchien und ihre Auswirkungen auf die Menschen finde ich durchaus spannend, meine Meeting-Irritationen entstehen allerdings bevorzugt durch die Worte und Begrifflichkeiten, die man in den wirklich innovativen Branchen und Abteilungen heutzutage sehr gerne verwendet.

Kaum habe ich dank einschlägiger Lexika und wohlmeinender Experten endlich verstanden, wie „USP, Benchmark, Performance, Vision und Nachhaltigkeit“ meinen beruflichen Erfolg und mein Leben bestimmen, kaum habe ich im Gegenzug mit dem „modularen Baukastensystem“ von alleine den perfekten Ausdruck für meine Arbeit und meine Person gefunden, da läuten die Meeting-Profis die nächste Runde im Kommunikations-Bingo ein.

So erfuhr ich kürzlich bei einem Meeting, dass

  •  meine Texte „ein bisschen 70th“ sind (nun, zumindest war ich in der Zeit bereits geboren“,
  •  wir nach einem „Save The Date“ und einem „Reminder“ unbedingt einen „Call To Action“ einsetzen müssen und
  •  zwar genau dann, wenn die Kampagne international ausgerollt worden ist.

Ich muss die Chefin in der Runde sehr verdutzt angeschaut haben, denn Sie wiederholte sehr langsam die Strategie, erkundigte sich mehrfach, ob ich noch „Support“ benötige – und fragte mich schließlich, ob ich nun abgeholt worden wäre. Denn es sei elementar, dass alle im Team abgeholt werden.

Ich allerdings hatte das Gefühl, wie so oft, dass ich einfach stehen gelassen worden bin.

 

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3 Comments

  1. Skudrin, Kerstin

    genial gestanden, würde ich sagen.
    Erinnere mich gut an solche Meetings, die ein bisschen das Gefühl zulassen, nicht ganz „up to date“ zu sein … Bin heute froh, dass ich zur „einfachen“ Sprache zurückfinden konnte und damit doch durchaus zielführend kommunizieren kann 🙂

  2. Birgit

    …jedes ramp-up wird vom Problem zur challenge herunterkaskadiert werden können#dürfen#evennicer#moreenvogue#modestspeech bis alle in den frame desselben Boot geholt, enablet und dedicated sind.

    Also außer Becherovka. Dem is‘ wurscht.

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