Es könnte meine Geschichte sein, aber es könnte auch die Geschichte eines anderen Mannes sein. Vielleicht ist es sogar die Geschichte aller heterosexuellen, geschlechtsreifen Männer, die in einer Partnerschaft leben:
Es ist ein Samstagmorgen wie viele andere auch, da seufzt die geliebte Frau mir über die frischen Semmeln hinweg ein bedeutungsschwangeres „Ach“ entgegen. Meine Reaktion ist in den vielen Männer-Generationen seit dem Rauswurf aus dem Paradies konditioniert: Was habe ich falsch gemacht? Was habe ich übersehen? Welches wichtige Datum habe ich vergessen? Habe ich in der Nacht wieder geschnarcht?
Egal, ich bin schuldig – und nach zehn Minuten anschließendem Schweigen weich gekocht. So weich, dass ich das erlösende (ebenfalls seufzende) „Ich hab nichts mehr anzuziehen“ als herrliche Herausforderung annehme, etwas zu tun, was ich bei klarem Verstand niemals tun würde: Ich erkläre mich bereit, mit der Geliebten einkaufen zu gehen. In die Stadt. An einem Samstag.
Geduldig folge ich der Angebeteten im schicklichen Abstand durch die verschiedenen Geschäfte – die Erfahrung hat mich gelehrt, dass die ersten beiden Stunden ein lockeres „Aufwärmen“ sind, trotz eventuell gegenteiliger Bekundungen noch ohne die geringste Kaufbereitschaft. Das Wissen darum schenkt mir ein stabiles Lächeln, das ich auch dann behalte, als es ernst wird.
In einer neuen In-Boutique (als Mann frage ich mich übrigens immer, ob es auch einen In-Baumarkt gibt?) startet das erste Auswahlverfahren: Das hinreißend rote Kleid mit den Tupfen oder doch lieber das gewagte „Etwas“ im durchsichtigen Chiffon? Mir gefallen beide, das ist mein erster Fehler.
Nächster Versuch in einem Modeladen zwei Einkaufspassagen weiter. Ich bin heute zäh, so schnell gebe ich nicht auf. Und diesmal bin ich mir auch sicher: Nicht das Trachtenkostüm empfehle ich meiner Liebsten, sondern den raffiniert zugeschnittenen Hosenanzug. Das ist mein zweiter Fehler – noch vor meinem Hinweis auf die formidable Betonung der formidablen Figur fällt die Entscheidung für die andere Alternative.
Eine Ewigkeit später bin ich zum Gepäckträger mit unzähligen Einkaufstaschen mutiert. Ein oberpfälzer Sherpa, der seine Bestimmung gefunden hat.
Daheim. Ich werfe die Tüten auf den Tisch und mich auf das Sofa. Ich habe das Einkaufsabenteuer wacker überstanden, siegessicher erwarte ich meinen Preis: Ein ganz, ganz dickes Lob für meine Geduld.
Das ist mein letzter Fehler, wie mir meine Liebste zornig an den Kopf schleudert: „Bei dem Gesicht, das Du ständig ziehst, macht das Einkaufen überhaupt keinen Spaß!“
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