Warten

Diese Zeilen und Gedanken schrieb ich nieder, als ich gewartet habe. Glücklicherweise habe ich meist einen kleinen Notizblock und einen Stift bei mir, um das Warten auf irgendeine Weise zu nutzen und zum Beispiel über das Warten zu schreiben.

Selbst der effizienteste Mensch kann es in seinem durchgetakteten Tag kaum vermeiden: Es kommt der Augenblick, an dem er warten muss.

Das Smartphone ist in diesem Fall tatsächlich ein Segen, insbesondere wenn es nichts zum Schauen gibt. ABER: Ohne die Warterei von unzähligen Menschen und deren reflexartigen Griff zum Smartphone hätten sicher die meisten YouTuber, Blogger und Twitter-Egomanen keine Follower … und wären wir die Influenzer-Plage ganz schnell los.

Alternativ haben sich beim Warten auch die kleinen Reclam-Heftchen bewährt (passen in jedes Kalier, was für Nichtbayern die Innenseite einer Jackentasche ist), sofern man lesen mag. Klassiker lassen sich hier sehr gut vorzeigen – ein kleiner Shakespeare, ein schmaler Goethe oder ein zerfledderter Platon können manch intellektuelle Rechtfertigungstirade quasi „nebenbei“ ersetzen.

Warten steht oftmals in direktem Zusammenspiel mit Langeweile. Der Wartende – ohne Smartphone – hat wie der Gelangweilte diesen unruhigen, suchenden Blick, diese leicht nervöse Ausstrahlung.

Bei genauer Betrachtung sind Smartphones das „Alpha und Omega“, der Anfang und das Ende des Wartens in modernen Zeiten. Wo früher Pünktlichkeit die Regel war, hebelt heute ein über SMS, WhatsApp oder Messenger zugerufenes „Ich komme etwas später“ jegliche Verbindlichkeit aus.

Jemanden warten lassen: Nichts dokumentiert und demonstriert in solch aufdringlicher Weise die Machtverhältnisse und sozialen Schichten. Es gibt diejenigen, die warten lassen, und diejenigen, die warten müssen.

Ein Mann, für den „Warten lassen“ ein Zeichen der fehlenden Wertschätzung ist, befolgt die Regel: Man schaltet das Smartphone aus, wartet generell 5 bis 10 Minuten, auf gute Freunde 20 Minuten und auf eine schöne Frau 30 Minuten. Dann geht man. Ohne Zweifel, ein tollkühner Vorschlag, dessen Umsetzung nach selbstbewussten und charakterlich gefestigten Menschen verlangt.

Gibt es eigentlich Alternativen zum Warten? Oder ist es einfach nur eine Frage, wie man das Warten nennt? Man könnte zum Beispiel ein paar isometrische Übungen machen oder meditieren – dumm nur, dass das eine etwas seltsam aussieht und man beim anderen nur allzu gerne gestört wird.

Eine vergleichsweise kurze und überschaubare Zeit zu warten, ist nervig. Dehnt man den Zeitraum auf Monate, Jahre oder gar ein ganzes Leben aus, dann ist es der rechte Stoff für Literatur, Musik und Religion. Warten auf die große Liebe, auf den Weltfrieden oder die Erlösung: schon löst sich das Warten aus der Banalität und geht in existentiellen Fragen auf. Hoffnung zum Beispiel ist ohne Warten nicht denkbar.

Ich trödle gerne Zeit, aber nur dann, wenn ich auch will und ich Zeit dazu habe. Das heißt in der Konsequenz, dass ich Momente, in denen ich warten muss, kreativ als Augenblicke definiere, in denen ich gerne trödle. Das klingt kompliziert, hat sicher auch etwas mit Selbstbetrug zu tun, gibt mir aber ein gutes Gefühl, selbstbestimmt zu bleiben. Und es gelingt. Manchmal.

Ein paar schöne Zitate zum Warten:

Dieter Hallervorden: „Die Wartezeit, die man bei Ärzten verbringt, würde in den meisten Fällen ausreichen, um selbst Medizin zu studieren.“

Pierre Daninos: „Engländer sind die einzigen Leute, die sogar Schlange stehen, um in eine Schlange zu kommen.“

Deutsches Sprichwort: Warte nie, bis Du Zeit dafür hast.

Michael Mühlfeld: Auf eine Bahn, die alle fünf Minuten kommt, muss man ein halbe Stunde warten.

Sigrun Hopfensperger: Was lange währt, verdirbt die Lust aufs Warten.

Humphrey Bogart: Ein kluger Mann widerspricht nie einer Frau. Er wartet, bis sie es selbst tut.

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