Von See-Elefanten, Walrossen und dem Biber.

Wer das Glück hat, einmal in der Nähe von See-Elefanten etwas Zeit zu finden, der sollte sich diese auch nehmen. Es lohnt, diese Geschöpfe mit den rüsseligen Nasen genauer zu betrachten und darauf zu warten, dass sie sich endlich bewegen.

Im August 2019 hatte ich das Glück, in Piedras Blancas an der Pazifikküste Kaliforniens, Highway No 1: Nur wenige Meter vor mir fläzten Dutzende See-Elefanten im Sand, währen in der Brandung sechs Bullenpärchen kämpften und dabei ihre wuchtigen Köpfe gegeneinanderschlugen.

See-Elefanten, die ich lieber mit Trennstrich schreibe, weil mir drei „e“ (Seeelefanten) hintereinander sehr seltsam und kaum richtig erscheinen, gehören zu den Tieren, die ich gerne als Gottesbeweis anführe. Sie können einfach keine bloße Laune der Natur sein, es MUSS sie ein Schöpfer mit reichlich schwarzem Humor erschaffen haben. Sie sind ohne Zweifel das Experiment eines vergnügten, leicht kindischen Allmächtigen, der sich nach einer harten Genesis-Woche noch einen Spaß erlauben wollte – und neben Schnabeltier, Ameisenbär, Faultier und Tapir eben auch den See-Elefanten aus dem Schöpfer-Hut zauberte.

See-Elefanten scheinen plumpe Gesellen zu sein. Wenn sie sich im Raupen-Style über den Sand und nicht selten den dösenden Nachbarn kämpfen, ist dies nicht sonderlich elegant – wenngleich ihre Fähigkeit, auch im schmalsten Spalt zwischen zwei Artgenossen noch Platz zu finden, einer italienischen Großfamilie gleicht, der in der Arena Verona auf der Gradinata Numerata Secondo knapp ein Quadratmeter Platz allemal reicht.

Wer sich nun die zu Beginn angemahnte Zeit für See-Elefanten nimmt, dem wird sie plötzlich gewahr: Die Würde des Kolosses, die Kraft mit Zähigkeit, die Biegsamkeit mit Zärtlichkeit vereint. Mag man auch über ihn lachen, dem See-Elefanten ist es egal – auch ein Grund, warum er zu meinen fünf Lieblingstieren gehört.

Das zweite Lieblingstier ist der Bonobo, der sich jenseits des Kongo vergnügt und kein Problem damit hat, dass eine Frau seine Chefin ist (nebenbei: Ob Bonobos wissen, was Gender bedeutet?).

Ein See-Elefant ist kein Walross, wie ich eine Zeitlang glaubte. Einer der wenigen Sätze aus dem legendären „Brehms Tierleben“, den ich dank des fast ebenso legendären Roger Willemsen kenne, lautet: „Der erste Eindruck, den das Walross auf den Betrachter macht, ist kein günstiger.“ Ich persönlich bin noch nie einem Walross begegnet, allerdings begleitete eine gewisse Antje im dritten Fernsehprogramm meine Kindheit. Das Maskottchen des NDR schien mir als tierischer Pausenclown immer eine Menge Spaß zu haben, sicher bin ich mir aber nicht. So oder so, der Eindruck auf mich war ein günstiger.

Ein Lieblingstier ist das Walross aber nicht – im Gegensatz zu den Erdmännchen und den Ottern. Das sind auf den ersten, zweiten und den dritten Blick so richtige Schlawiner. Und wie es sich für solche Bazi (ich mag dieses bayerische Wort sehr) gehört, sind sie 1) stinkendfaul, 2) immer auf der Hut, 3) sehr erfindungsreich und 4) den ganzen Tag gut gelaunt. Woher ich das weiß? Es könnte sein, dass Brehm es geschrieben hat … oder ein anderer. Jedenfalls haben beide Recht.

Mein fünftes Lieblingstier ist DER Biber. Die Betonung liegt auf DER, denn der Biber ist (wie DER Wolf, aber nicht die Erdmännchen, See-Elefanten etc.) dem Menschen offensichtlich persönlich bekannt. Man spricht nicht, zumindest in Bayern, von den Bibern im Plural, die unten am Fluss ihren Wall errichtet haben, sondern stellt lapidar fest: „Da ist DER Biber.“ Gestatten.

Ich finde es erstaunlich, wie die bloße Anwesenheit genügt, um aus der namenlosen Masse einer Spezies als „DER“ herauszutreten. Das scheint mir beim Biber selbstverständlich zu sein – und ich denke darüber nach, ob ich gerne ein Biber, nein: DER Biber wäre. Einerseits, andererseits, wenn ich es mir aussuchen dürfte: Als Otter hätte man auch viel Spaß.

Aber letztlich muss ich mich wohl endlich damit abfinden, dass ich bei tierischen Vergleichen wohl sehr schnell den See-Elefanten zugeteilt würde.

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