Und irgendwie…

Ein Freund und ich wollten telefonieren. Früher war das ganz einfach: Wir gingen zum Telefon, hoben den Hörer ab, telefonierten, legten den Hörer auf – und zahlten dafür eine feste Einheitsgebühr pro Minute.

Das ist heute anders. Wir haben ein Smartphone und müssen uns entscheiden zwischen Freunde-Tarif, den Mondschein-Tarif, den Geschäftstarif, Call-by-Call, den Ich-hab-Dich-gern-Tarif und so weiter und so fort. Und irgendwie haben wir immer das Gefühl, zu viel bezahlt zu haben.

Ein Freund und ich wollten Brot kaufen. Früher war das ganz einfach: Wir gingen zur dicken Bäckersfrau, deren mehliger Mann uns vor die Wahl stellte: Schwarzbrot oder Weißbrot.

Das ist heute anders. Im Backshop starren wir auf die dürre Verkäuferin und die meterlange Auslage und lesen Eins-, Zwei-, Vier-, Fünf- bis Zwölf-Kornbrot, Vital- und Sovital-Wecken, Buttermilch- und Schafsmilchbrot, Toskana- über Ghana- bis Vietnamfladen, gesäuert oder auch nicht, das WM-Gedächtnislaiberl und so weiter und so fort. Und irgendwie haben wir jetzt ein Gefühl dafür, weshalb die Verkäuferin so dürr ist.

Ein Freund und ich wollten mit der Bahn fahren. Früher war das einfach: Wir stiegen in Hamburg ein, stiegen in München aus – und zahlten, weil wir Studenten waren, genau 25 Mark einfach.

Das ist heute anders. Wir stehen am Bahnhof und fragen uns ratlos, ob wir das Guten-Abend-Ticket, das Feierabend-Ticket, das Ich-hab-Dich-gern-Ticket oder das Zwei-Personen-mit-Hund-Ticket nehmen? Oder fahren wir erst morgen zum Supersparpreis?

Das machen wir schließlich auch, fahren aber erst übermorgen, weil wir da noch zusätzlich den Früh-Senioren-Rabatt einstreichen können. Und irgendwie haben wir das Gefühl, zu spät zu kommen und dennoch zuviel bezahlt zu haben.

Ein Freund und ich wollten Erdbeermarmelade essen. Früher war das ganz einfach: Wir besuchten Tante Emma, kauften die Marmelade und ließen sie uns ohne Reue genussvoll schmecken.

Das ist heute anders. Im Super-Supermarkt stehen wir vor einem Regal mit über 50 Sorten Erdbeermarmelade. Für die Entscheidung benötigen wir zwei Stunden – und wählen die ökologisch verantwortliche Biomarmelade mit kalt gepressten ganzen Stückchen, ohne Konservierungsstoffe, dafür aber im Sonderangebot. Und irgendwie haben wir das Gefühl, dass trotzdem eine andere Marmelade besser und billiger gewesen wäre.

Ein Freund und ich wollten ganz schnell unterwegs essen. Früher war das ganz einfach: Wir gingen zum Imbisswagen und bestellten eine Currywurst mit Pommes.

Das ist heute anders. In der Filiale einer Fastfoodkette brauchen wir 30 (!) Minuten, reichlich Geduld und sehr starke Nerven für die Bestellung. Der einfache Hamburger ist allein nicht im Angebot, dafür gibt es 20 verschiedene Menüs, die für den Laien so unterschiedlich nicht sind – ebenso wenig wie die im Stakkato abgeschossenen Worte der Mitarbeiterin des Monats, die uns unter ihrem lustigen Hütchen ungefragt die Möglichkeiten aufzählt.

Wir essen schließlich das Mega-Super-Hot-XXL-Spar-Menü mit WM-Doughnuts, Chili-Shrimps und den Wir-sind-Deutschland-Fitness-Salat.

Und irgendwie haben wir das Gefühl, dass uns schlecht ist.

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