Koffer packen oder doch lieber schlafen?

Nicht immer, aber immer seltener lese ich abends ein Kapitel eines Buches, das in den Bestsellerlisten, Rubrik Sachbuch, auf den vorderen Plätzen steht. Ich habe mir also mehrere Bücher gekauft und freue mich schon darauf, wie ich mein life simplifizieren, in sieben Jahren Millionär, meine Zeit optimal managen und mein Über-Ich finden werde.

Gestern las ich, wie man am besten und schnellsten einschläft. Eine tolle Idee, finde ich. Und so einfach, auch wenn die Überschrift „Visualisierungs-Methode“ heißt und der Text fordert: Man stelle sich einfach vor, wie man einen Koffer packt mit all den Dingen und Personen, die einen so den ganzen Tag über beschäftigen.

Nach dem Packen schließe man den Koffer fest ab, stelle ihn bis morgen in die Ecke, schlendere auf eine Wiese und schlafe dort schnell und einfach im lauschigen Idyll ein.

Ich habe es probiert – und war rund 20 Minuten damit beschäftigt, all die vorhandenen Dinge und Personen einzupacken. Hinzu kamen noch einmal 25 Minuten, in denen ich meinen Chef gesucht habe, der mich jeden Tag am meisten beschäftigt und deshalb unbedingt in den Koffer musste.

Mein Chef aber saß wieder einmal in einem Meeting und wollte nicht gestört werden. Im Dienste meines ruhigen Schlafes habe ich eine Kündigung riskiert und tapfer (vorm Einschlafen fehlt es mir selten an Mut) das Meeting gesprengt. Es dauerte weitere 15 Minuten, bis ich meinen (nun) Ex-Chef im Koffer verstaut hatte, so hat er sich gewehrt.

Nach einer Stunde war ich endlich auf der Wiese, legte mich gerade hin – und bemerkte, dass ich eine sehr nervende Sache zum Packen vergessen hatte. Ich also wieder zurück, den Koffer aufgeschlossen, die Sache verpackt – und den Chef wieder eingefangen, der die Chance zur Flucht nutzen wollte. Als ich auf die Uhr schaute, waren eineinhalb Stunden vergangen, seitdem ich mich um 23 Uhr ins Bett gelegt hatte.

Die nächsten fünf Stunden verbrachte ich damit, mich auf die Wiese zu legen, mich an vergessene Sachen zu erinnern, den Koffer auf- und zuzumachen, den Chef einzufangen, zu packen und mindestens 25 Kilometer zwischen den Örtlichkeiten zurück zu legen. Noch nie in meinem Leben war ich so aufgeregt und -gewühlt wie heute Morgen nach einer schlaflosen Nacht.

Ich hätte vielleicht doch ein Glas Rotwein an der Hotelbar trinken sollen.

 

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