Es ist Zeit, mit dem Affenbrotbaum zu tanzen

Ein junges Mädchen lebte und es ging ihm gut, weil es sich keine Gedanken machte. Wenn es Durst hatte, trank es das Wasser aus der Quelle, wenn es Hunger hatte, aß es die Beeren in allen Farben. Es schlief, wenn es müde war und wenn es fröhlich war (das war es sehr oft) lachte es einfach.

Alles schien in bester Ordnung zu sein – bis zu jenem Tag, als das Mädchen einem anderen jungen Mädchen begegnete. Die beiden sahen sich kurz verdutzt an, da begann das andere Mädchen schon zu reden. Reden – das konnte unsere junge Freundin noch nicht, es hatte bis jetzt auch noch keine Veranlassung dazu bestanden. Aber weil die Fremde keine Ruhe geben wollte, musste das Mädchen doch irgendwann antworten

Und schon begannen die Probleme: Denn wer redet, sollte sich auch Gedanken machen, meinte jedenfalls das Mädchen – und gerade, als es dies meinte, hatte es bereits den ersten Gedanken: „Was tut denn das andere Mädchen da?“ Und als die Andere just in diesem Moment fragte „Was tust denn Du da?“, stand für unser Mädchen fest, dass nach dem ersten Problem sofort ein anderes folgt: Sie musste sich nicht nur Gedanken machen, sie musste sich ab sofort auch rechtfertigen. Ja, was sollte es schon machen – es war einfach da, genügte das nicht?

Nein, denn das andere Mädchen hakte sofort nach und fragte: Und warum bist Du da?  Es waren nur wenige Minuten seit dem ersten Zusammentreffen vergangen, da ahnte unser Mädchen bereits, um was es immer ging, wenn mehrere einer Art sich begegneten: Es war die Frage nach dem Warum und die Antwort darauf. Das Mädchen aber kannte noch keine Antworten und lief los – vielleicht fand sie welche, in jedem Fall musste sie suchen. Das Mädchen lief und lief und wurde müde, auch weil es sehr anstrengend sein kann, zu denken und sich mit Problemen zu befassen. Schließlich war die Erschöpfung so groß, dass das verwirrte Mädchen unter einem alten Affenbrotbaum einschlummerte.

Und zum ersten Mal in seinem Leben träumte es – und während andere Mädchen und auch Jungen durch den Traum liefen und Fragen stellten, erwachte der Affenbrotbaum und schaute hinab auf den jungen Gast in seinem Schatten. Ja, da haben sich all jene getäuscht, die meinen, dass Bäume blind und ohne Herz sind. Das Gegenteil ist der Fall: Bäume sehen alles und ihr Herz ist riesengroß.  Ein besonders großes Herz besitzt der Affenbrotbaum, weil er besonders alt ist und schon besonders viel gesehen hat. Deshalb macht er sich auch nur noch selten die Mühe zu erwachen, das letzte Mal war dies vor mindestens 3.000 Jahren gewesen. Damals hatten sich zwei Sonnenblumenkinder unter seinen Ästen gestritten, aber das ist eine andere Geschichte …

Jetzt war der alte, knorrige Mann der Savanne, weil die Verwirrtheit des Mädchens sein Herz berührt hatte und in dem Traum, in den er schauen konnte, die Angst und Traurigkeit der jungen Freundin gesehen hatte. Mit einem schweren Seufzer bedauerte der Affenbrotbaum, dass das Mädchen seine Unschuld verloren hatte und nie mehr zurückgewinnen wird, weil mit einer Frage bereits alles vorbei ist. Die Hoffnung aber, dass der Weg des Mädchens ein glückliches Ende finden wird, war noch nicht verloren. Es musste nur gelingen, ein Lächeln in die Augen des Mädchens zu zaubern, damit es genügend Kraft für kommende Abenteuer, Fragen und Antworten haben werde.

Der Affenbrotbaum überlegte schwer und malte dem Mädchen in dessen Traum einen glucksenden Bach und eine bunte Butter-Weide. Damit sah der Traum viel besser aus, was unsere junge Freundin freute, so dass sie  sich hinter der freundlichen Weide versteckte und sich an das Ufer des Baches legte um seinem Glucksen zu lauschen. Und bald schon schlummerte das Mädchen in seinem Schlummertraum ein. Weil Träume wie das Leben sind, traf das Mädchen im Traum seines Traumes nun die freundliche Weide, die ein guter Freund vom Affenbrotbaum war.

Und auch der Bach gehörte dazu. Alle drei baten das Mädchen, sich in seinem zweiten Schlummertraum doch auf einen Felsen zu setzen, der nicht hart war, sondern ganz weich.  Kaum hatte das Mädchen Platz genommen, kündete ein von Südwesten angeflogener Papagei ein besonderes Konzert nur für das Mädchen an.

Genau: Affenbrotbaum, Weide und Bach waren die beste Blues-Band, die es in allen Träumen dieser Welt gab. Der Affenbrotbaum zupfte an seinem Kontrabass, die Weide fidelte die Fidelgeige und der Bach, der sang. Und als der Bach besonders lustig eine fröhliche Melodie gluckste, sprang das Mädchen in die Höhe und drehte sich im Kreis und drehte sich und dachte gar nicht mehr daran, dass es ja eigentlich ganz traurig war, weil es auf die Frage nach dem Warum keine Antwort wusste.

Genau in diesem Moment war ihm die ganze Fragerei ganz egal, denn es lachte so laut zum Brummen des Affenbrotbaumes, dass er überhaupt keine Zeit hatte, nachzudenken. Der alte Baum schaute zufrieden auf das tanzende Mädchen, weil er doch wusste, dass das zwar ein Traum im Traum war – aber ein solch schöner, dass jener mindestens genau so viel wert war wie jeder Tanz und jede Musik in jeder Welt, wirklich oder nicht.

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